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Exklusiv: (-?) Interview mit dem populärsten Element des Universums

Lese­dau­er 5 Minu­ten

Wir müs­sen unse­re Ener­gie­wirt­schaft drin­gend umstel­len: weg von fos­si­len Ener­gie­trä­gern – hin zu Erneu­er­ba­ren Ener­gien. Eine wich­ti­ge Rol­le wird dabei Was­ser­stoff spie­len. In der öffent­li­chen Dis­kus­si­on über Was­ser­stoff als Ener­gie­trä­ger gibt es eini­ge Streit­fra­gen. Unse­rem Neckar-Alb-Blog (NAB) ist es gelun­gen, den Was­ser­stoff (H2) zu einem Inter­view zu überreden.

 NAB
Vie­len Dank, dass Sie sich Zeit für uns neh­men. Wie soll ich sie anspre­chen: Herr, Frau, …?

H2
Ich bin gender-neutral. Duzen wir uns doch einfach.

NAB
Kannst Du mir etwas zu Dei­ner Her­kunft erzählen?

H2
Mich gibt es seit kurz nach dem Urknall. (Kurz ist natür­lich rela­tiv.) Sobald die äuße­ren Bedin­gun­gen es zulie­ßen, haben sich jeweils ein Pro­ton und ein Elek­tron zusam­men­ge­tan und damit das ein­fachs­te Atom im Uni­ver­sum gebil­det: mich. Auch heu­te noch besteht der größ­te Teil der Mate­rie im Uni­ver­sum aus Wasserstoff.

NAB
War­um dis­ku­tie­ren wir dann so viel über die Erzeu­gung von Was­ser­stoff, wenn Du so häu­fig vorkommst?

H2
Ich gehe ger­ne Ver­bin­dun­gen mit ande­ren che­mi­schen Ele­men­ten ein – als rei­ner Was­ser­stoff kom­me ich auf der Erde eigent­lich nicht vor. Wenn ich mich z.B. mit Sau­er­stoff (O) zu Was­ser (H2O) ver­bin­de, wird dabei Ener­gie frei. Die­se Ener­gie müsst ihr wie­der inves­tie­ren, wenn ihr mich als Sin­gle haben wollt. Wirk­lich Sin­gle bin ich übri­gens sel­ten: Nor­ma­ler­wei­se tun sich zwei Was­ser­stoff­ato­me zu einem Mole­kül H2 zusammen.

NAB
Ist dann die gan­ze Dis­kus­si­on über H2 nicht unsinnig?

H2
Nein, ich bin ein Ener­gie­trä­ger, aus dem ihr Ener­gie holen könnt. Da unter­schei­de ich mich im Prin­zip nicht von Erd­gas oder Koh­le. Für die Ener­gie­wen­de bin ich des­halb inter­es­sant, weil ich kei­nen Koh­len­stoff ent­hal­te und des­halb bei der Ener­gie­ge­win­nung aus Was­ser­stoff kein kli­ma­ak­ti­ves CO2 in die Atmo­sphä­re entweicht.

NAB
Zu einem ande­ren The­ma: Ich habe immer wie­der gehört, dass es Dich in ver­schie­de­nen Far­ben gibt: grün, tür­kis, grau, … Ohne Dich belei­di­gen zu wol­len: Du kommst mir ziem­lich farb­los vor. Habe ich etwas falsch verstanden.

H2
Es geht nicht um mei­ne Far­be, son­dern um die Ener­gie, die benutzt wird, um mich aus den Ver­bin­dun­gen zu lösen, in denen ich mich befin­de. Die Far­ben ent­hal­ten eine Wer­tung: Grün steht für Strom aus Erneu­er­ba­ren Ener­gien und ist die bes­te Lösung. Rot steht für Strom aus Kern­kraft, grau für Strom aus fos­si­len Energien.

NAB
Wozu dient der Strom?

H2
Viel­leicht erin­nerst Du Dich noch an Dei­nen Chemie-Unterricht, Stich­wort Elek­tro­ly­se: Wenn Du Strom durch mit Sal­zen ver­setz­tes Was­ser schickst, wird das Was­ser gespal­ten. An einer Elek­tro­de steigt Sau­er­stoff auf, an der ande­ren Was­ser­stoff. Im Prin­zip ganz ein­fach. Aber Du brauchst elek­tri­sche Ener­gie. Und fast 30% der ein­ge­setz­ten elek­tri­schen Ener­gie wird zu Abwär­me und dient nicht der Erzeu­gung von Wasserstoff.

NAB
Ist das der ein­zi­ge Weg, Dich aus bestehen­den Ver­bin­dun­gen zu lösen?

H2
Nein, manch­mal ent­ste­he ich auch als Abfall­pro­dukt in der che­mi­schen Indus­trie. Es ist eben­so mög­lich, mich aus Erd­gas (besteht haupt­säch­lich aus Methan, CH4) abzu­tren­nen. Je nach Ver­fah­ren ent­steht dabei als Abfall­pro­dukt CO2 (Farb­wer­tung Grau) oder rei­ner Koh­len­stoff (Farb­wer­tung Tür­kis, aller­dings nur, wenn die benö­tig­te Ener­gie aus erneu­er­ba­ren Quel­len stammt).

NAB
Pri­ma, dann benut­zen wir Dich dort, wo wir frü­her Erd­gas ver­wen­det haben?

H2
Nein. Nur in den Fäl­len, wo es um die Erzeu­gung von Pro­zess­wär­me geht, z.B. in der Stahl­in­dus­trie. Den meis­ten heu­ti­gen Gas­hei­zun­gen wer­de ich in Rein­form unan­ge­nehm auf­sto­ßen, da ich anders ver­bren­ne als Erd­gas. Auch als Treib­stoff für Fahr­zeu­ge kann ich in der Regel nicht ohne tech­ni­sche Umrüs­tung das bis­her ver­wen­de­te Gas ersetzen.

NAB
Ver­stan­den. Wie bekom­men wir Dich an die Stel­le, an der wir Dich brauchen?

H2
Wie Erd­gas kann ich mich durch Lei­tun­gen bewe­gen. Ob aber alle Ele­men­te eures Gas­lei­tungs­sys­tems bereit für mich sind, bleibt abzuwarten.

Schwie­ri­ger wird es, wenn ihr mich abfül­len möch­tet. Ich kann zwar pro Gewichts­ein­heit mehr Ener­gie zur Ver­fü­gung stel­len als Erd­gas. Da ich ande­rer­seits sehr viel leich­ter bin als Erd­gas, ent­hal­te ich pro Volu­men­ein­heit weni­ger Ener­gie als Erd­gas. Daher muss ich unter hohem Druck auf tie­fe Tem­pe­ra­tu­ren her­un­ter­ge­kühlt wer­den. Sonst neh­me ich viel zu viel Platz ein. Alter­na­tiv gibt es fes­te Mate­ria­li­en, an die ich mich ger­ne dicht ankusch­le, so dass ich in die­sen Mate­ria­li­en sehr viel weni­ger Platz bean­spru­che als in einem nor­ma­len Tank. Ich bin sehr neu­gie­rig, auf was für Kuschel­ma­te­ria­li­en ihr noch kom­men werdet.

Außer­dem bin ich lei­der auch noch etwas lau­ni­scher als Erd­gas, wenn es um „spon­ta­ne“ Explo­sio­nen geht.

NAB
Was kön­nen wir mit Dir machen, wenn wir Dich nicht ver­bren­nen möchten?

H2
Ihr könnt wie­der Strom aus mir erzeu­gen. (Das gin­ge auch, indem ihr mich in einem Kraft­werk als Gas­er­satz ver­brennt und mit der ent­ste­hen­den Wär­me einen Strom­ge­ne­ra­tor antreibt.)

Viel sinn­vol­ler ist es aller­dings, in einer Brenn­stoff­zel­le direkt Strom aus mir zu erzeu­gen. Dazu wird die oben beschrie­be­ne Elek­tro­ly­se umge­kehrt: ich und Sau­er­stoff rein, raus kommt elek­tri­scher Strom und Was­ser, ohne dass irgend­et­was ver­brannt wird.

Dadurch ent­steht aber kein Per­pe­tu­um Mobi­le: Zu den 30% Pro­zent Ver­lust bei der Elek­tro­ly­se kom­men noch ein­mal über 50% Ver­lust in der Brenn­stoff­zel­le. Damit wer­den (Stand heu­te) fast 2/3 der ursprüng­li­chen Ener­gie in Abwär­me ver­wan­delt (die ihr natür­lich ander­wei­tig nut­zen könntet.)

Des­halb füh­le ich mich nicht unbe­dingt als der idea­le Zwi­schen­spei­cher für Elek­tri­zi­tät – nur wenn ihr wirk­lich nichts Bes­se­res mit dem Strom anfan­gen könnt.

NAB
Sagen Dir syn­the­ti­sche Kraft­stof­fe etwas?

H2
Ja, habe ich damals nach dem Urknall in der Schu­le gelernt. Ich hat­te zuvor erwähnt, dass man mich aus Erd­gas her­aus­lö­sen kann. Die­sen Vor­gang könnt ihr auch umkeh­ren: Aus Was­ser­stoff (H) und Koh­len­stoff © — oder CO2 — wird wie­der Methan (CH4). Und die­ses Spiel könnt ihr dann wei­ter­trei­ben: immer län­ge­re Mole­kü­le syn­the­ti­sie­ren (haupt­säch­lich aus Koh­len­stoff, Was­ser­stoff und Sau­er­stoff). Dar­aus kön­nen dann Grund­stof­fe für die che­mi­sche Indus­trie oder eben Ersatz für Ben­zin entstehen.

Aller­dings funk­tio­niert das Gan­ze nicht durch „ein­fach umrüh­ren und fer­tig“, son­dern es muss beträcht­li­che Ener­gie ein­ge­setzt wer­den, um immer län­ge­re Mole­kü­le zusam­men­zu­bas­teln. Des­halb ist die Idee, ein­fach das Mine­ral­öl aus dem Boden durch Mine­ral­öl aus dem Che­mie­bau­kas­ten zu erset­zen, etwas für die ganz fer­ne Zukunft, wenn euch die Alter­na­ti­ve Ener­gie nur so aus den Ohren quillt.

NAB
Und wie kön­nen wir die Alter­na­ti­ve Ener­gie aus den Ohren quel­len lassen?

H2
Stand heu­te nur klein­tei­lig: vie­le Anla­gen, die Son­ne, Wind, Was­ser­kraft und Bio­mas­se zu Strom machen.

Einen Joker gibt es aller­dings, an dem ich gege­be­nen­falls auch betei­ligt wäre: Durch Kern­fu­si­on aus mir Heli­um zu machen – wie in der Son­ne. Dadurch könn­te dann wirk­lich Ener­gie im Über­fluss ent­ste­hen. Aller­dings haben mich eure Ver­su­che in die­se Rich­tung bis­her eher genervt als beein­druckt (ich per­sön­lich bin nur unter hef­ti­gem Zwang bereit, mei­ne Exis­tenz auf­zu­ge­ben, um als lang­wei­li­ges Heli­um wie­der­ge­bo­ren zu wer­den.) Mal sehen, was euch da noch einfällt.

NAB

Vie­le Dank für die­ses Gespräch.

Inter­view: Tho­mas Damrau

Illus­tra­tio­nen: Nico­la Mattern

So viel zur Sicht unse­res heu­ti­gen Gas­tes. Wir wer­den in den nächs­ten Mona­ten eini­ge Exper­tIn­nen aus unse­rer Regi­on befra­gen, ob sie das The­ma genau­so bewer­ten wie H2 und unse­ren Lese­rIn­nen die Ant­wor­ten in die­sem Forum zukom­men lassen.

 

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