Um die Aussagen meines Interview-Partners H2 zu prüfen, wollte ich mich zuerst über die Generierung von Wasserstoff informieren.
Welche Bilder verbindet ihr mit der Erzeugung von Wasserstoff? Landschaften mit großen Solar- und Windparks in Kanada, Australien oder Nordafrika mit Fabrikgebäuden, aus denen Wasserstoff in große Tankschiffe gepumpt wird? Nicht falsch, aber geographisch weit weg und außerdem noch ein bisschen Zukunftsmusik.
Mich hat daher eher interessiert, was heute in der Region Neckar-Alb zum Thema Wasserstofferzeugung angeboten wird. Um das herauszufinden, habe ich mich mit Ralf Winterstein getroffen.
Ralf Winterstein, 53 Jahre alt, ist seit zwei Jahren Besitzer und Geschäftsführer der SCHMIDLIN GmbH und Co. KG in Dettingen an der Erms. Ursprünglich kommt er aus der Automotive-Industrie, wo Brennstoffzellen und Wasserstoff schon lange eine Rolle spielen. Der Maschinenbauingenieur befasst sich seit über 25 Jahren mit Wasserstofferzeugung und Brennstoffzellen. Seine Geräte, welche vorwiegend von der Schweizer Firma VICI gebaut werden, kommen außer in der Automotive Industrie auch im Bereich Pharma/Medizintechnik/Chemie zum Einsatz.
Die SCHMIDLIN GmbH wurde 1994 als Spezialfirma für Gasgeneratoren gegründet. Neben Wasserstoffgeneratoren bietet SCHMIDLIN auch Generatoren für Reinstluft und Stickstoff an. SCHMIDLIN ist Gründungsmitglied des Netzwerk Wasserstoff der IHK Reutlingen.
Wie sehen die Dettinger Wasserstoff-Generatoren aus?
Ralf Winterstein führt mich in einen Nebenraum mit Vorführgeräten. Wer Gefäße mit blubberndem Wasser wie im Chemieunterricht erwartet, wird enttäuscht. Meine erste Assoziation für die Form der Generatoren war „Desktop-Computer“. Blubbernde Geräusche sind nicht zu hören.
Die Schnittstellen der Wasserstoffgeneratoren entsprechen der reinen Lehre: Stromanschluss und Einfüllstutzen für deionisiertes Wasser, Auslassstutzen für Wasserstoff und Sauerstoff. Der Wasserstoff kommt schon mit Überdruck für eine mögliche Zwischenspeicherung aus dem Generator.
Ein solches Gerät liefert in der Basisversion 100 ml hochreinen Wasserstoff
( > 99.99996%) pro Minute. Der Wasserstoffausstoß lässt sich durch Aufrüsten der Basisversion, leistungsstärkere Geräte (bis zu 18 Liter pro Minute) und das Zusammenschalten von Geräten nach oben skalieren. Alternativ gibt es auch Elemente, die im Rack (als Einschübe übereinander) angeordnet werden können. Somit sind Anwendungen mit bis zu 18 Liter Wasserstoff pro Minute einfach umsetzbar.
Die Basisversion mit 100 ml benötigt ca. 100 W Strom. Lösungen mit bis zu 18 Liter pro Minute erfordern ca. 6,4 kW Strom.
Die eigentlichen Elektrolysezellen (links) sind eher unscheinbar und erinnern im Gerät eingebaut entfernt an Festplatten (im rechten Bild).
Für die technisch tiefer Interessierten: Die Elektrolysezelle besteht aus einer Protonenaustausch-Membrane / Proton Exchange Membrane (PEM) mit Titan-Elektroden.
So viel zur Technik.
Wo werden diese Generatoren eingesetzt?
Die Hauptabnehmer sind die Pharma‑, Medizin- und die Chemie-Industrie, die Automobilindustrie und die Forschungsinstitute. Der generierte Wasserstoff wird in der Gaschromatographie als Brenn- und Trägergas, sowie zum Test von Brennstoffzellenkomponenten benutzt.
Früher haben diese Kunden Wasserstoff aus Gasflaschen benutzt – mit Gasgeneratoren im Labor kann der Wasserstoff in der gewünschten Menge ohne lästige Logistik zum gewünschten Zeitpunkt erzeugt werden. Dies ist nicht nur nachhaltig, sondern auch sehr sicher beim Umgang mit Wasserstoff.
Idealerweise sorgt eine Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach für den notwendigen elektrischen Strom.
Wie arbeitet SCHMIDLIN mit seinen Kunden zusammen?
SCHMIDLIN beschäftigt fünf Mitarbeiter. Wir beraten die Kunden bei der Auswahl und Dimensionierung der Lösungskomponenten, bereiten die Geräte vor, liefern eine initiale Einweisung und unterstützen auch bei der Inbetriebnahme der Geräte, auch übernehmen wir den fachlichen Service.
Die Inbetriebnahme der Geräte wird für den Kunden vorbereitet und ist so gut wie selbsterklärend (Plug & Play).
Die Geräte selbst sind auf eine lange Lebensdauer und Dauerbetrieb (24/7) ausgelegt und im Prinzip wartungsfrei. Probleme könnten allerdings entstehen, wenn das verwendete Wasser verunreinigt ist (auch dies wird von Gerät erkannt).
Gibt es weitere Anwendungsfelder für die SCHMIDLIN-Produkte?
Ralf Winterstein sieht vor allem einen alternativen Lösungsansatz für die Energieversorgung von Gebäuden: Wer eine Photovoltaikanlage auf dem Dach hat, kann im Sommer die überschüssige Energie in Form von H2 speichern und im Winter den gespeicherten Wasserstoff mit Hilfe einer Brennstoffzelle in Strom und Wärme verwandeln. Die Nutzung einer Brennstoffzelle ist aus Sicht von Ralf Winterstein flexibler als das bloße Verbrennen von Wasserstoff zur Wärmeerzeugung, da mit der Brennstoffzelle Strom erzeugt werden kann. Mit diesem Strom können dann auch die elektrischen Verbraucher betrieben werden.
Die Einzelkomponenten für eine solche Lösung sind verfügbar. Es wird aber noch mindesten 5 bis 10 Jahre dauern, bis Gesamtlösungen für dieses Szenario im Markt nachhaltig und kostengünstig angeboten werden können.
Ist die Elektrolyse-Technik ausgereizt?
Auf dem Markt, den SCHMIDLIN bedient, rechnet Ralf Winterstein mit keinen großen Technologiesprüngen, da diese Technologie über Jahrzehnte stetig weiterentwickelt wurde. Bei Lösungen, die Wasserstoff im Mega-Watt-Bereich erzeugen sollen, stellen sich andere Fragen.
Wie wird der Markt sich entwickeln?
Bisher habe er beim Thema Wasserstoff eher Gegenwind verspürt, meint Ralf Winterstein. Durch die neue Regierung gebe es Rückenwind.
Die nötige Transformation sei langsam vorangekommen. Es brauche beides: Angebote und Nachfrage – ohne Nachfrage zögern die Anbieter, ohne Angebot bildet sich keine Kundennachfrage. Es sei auch schwierig, technologische Vorgaben zu machen. Der Markt fordere bedarfsgerechte Lösungen.
Deutschland sei jahrelang in der Photovoltaik und in der Batterietechnik führend gewesen. Dieser Vorsprung sei leider verloren gegangen. Beim Thema Brennstoffzelle sei Deutschland noch führend. Diese Technologie-Führerschaft müsse erhalten bleiben.
Wasserstoff als Energieträger sei mittelfristig nur sinnvoll, wenn er aus erneuerbaren Energien erzeugt werde (Grüner Wasserstoff).
Zu guter Letzt unser kleiner neckar-alb.blog-Fragebogen an Ralf Winterstein
Welches Auto fahren Sie?
Einen Audi e‑tron
Welche Umweltsünde begehen Sie?
Kundenbesuche (lacht)
Was werden die spannenden Themen der nächsten fünf Jahre sein?
Die Erzeugung von Wasserstoff und die Rückverwandlung in Strom durch Brennstoffzellen sind auf dem Weg. Spannend ist die Verwendung von Wasserstoff als Energieträger auf der einen Seite und auf der anderen Seite die unterschiedlichen Möglichkeiten der (Zwischen-) Speicherung von Wasserstoff wie z.B. unter Druck oder durch Einlagerung in Trägersubstanzen (sog. Hydridspeicher)
Wen können Sie uns als weitere Ansprechpartner zum Thema Wasserstoff empfehlen?
Die Hochschulen in Reutlingen (Prof. Zenner) und die Hochschule Esslingen (Prof. Czarnetzki).
Text: Thomas Damrau
Bilder: SCHMIDLIN GmbH
Vermutlich sind die Möglichkeiten schon sehr viel weiter als das was wir wissen;)
Alles Gute
Janne