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Wasserstoff aus der Steckdose?

Lese­dau­er 4 Minu­ten

Um die Aus­sa­gen mei­nes Interview-Partners H2 zu prü­fen, woll­te ich mich zuerst über die Gene­rie­rung von Was­ser­stoff informieren.

Wel­che Bil­der ver­bin­det ihr mit der Erzeu­gung von Was­ser­stoff? Land­schaf­ten mit gro­ßen Solar- und Wind­parks in Kana­da, Aus­tra­li­en oder Nord­afri­ka mit Fabrik­ge­bäu­den, aus denen Was­ser­stoff in gro­ße Tank­schif­fe gepumpt wird? Nicht falsch, aber geo­gra­phisch weit weg und außer­dem noch ein biss­chen Zukunftsmusik. 

Mich hat daher eher inter­es­siert, was heu­te in der Regi­on Neckar-Alb zum The­ma Was­ser­stoff­er­zeu­gung ange­bo­ten wird. Um das her­aus­zu­fin­den, habe ich mich mit Ralf Win­ter­stein getroffen.

Ralf Win­ter­stein

Ralf Win­ter­stein, 53 Jah­re alt, ist seit zwei Jah­ren Besit­zer und Geschäfts­füh­rer der SCHMIDLIN GmbH und Co. KG in Det­tin­gen an der Erms. Ursprüng­lich kommt er aus der Automotive-Industrie, wo Brenn­stoff­zel­len und Was­ser­stoff schon lan­ge eine Rol­le spie­len. Der Maschi­nen­bau­in­ge­nieur befasst sich seit über 25 Jah­ren mit Was­ser­stoff­er­zeu­gung und Brenn­stoff­zel­len. Sei­ne Gerä­te, wel­che vor­wie­gend von der Schwei­zer Fir­ma VICI gebaut wer­den, kom­men außer in der Auto­mo­ti­ve Indus­trie auch im Bereich Pharma/Medizintechnik/Chemie zum Einsatz.

Die SCHMIDLIN GmbH wur­de 1994 als Spe­zi­al­fir­ma für Gas­ge­ne­ra­to­ren gegrün­det. Neben Was­ser­stoff­ge­ne­ra­to­ren bie­tet SCHMIDLIN auch Gene­ra­to­ren für Reinst­luft und Stick­stoff an. SCHMIDLIN ist Grün­dungs­mit­glied des Netz­werk Was­ser­stoff der IHK Reut­lin­gen.

Wie sehen die Dettinger Wasserstoff-Generatoren aus?

Ralf Win­ter­stein führt mich in einen Neben­raum mit Vor­führ­ge­rä­ten. Wer Gefä­ße mit blub­bern­dem Was­ser wie im Che­mie­un­ter­richt erwar­tet, wird ent­täuscht. Mei­ne ers­te Asso­zia­ti­on für die Form der Gene­ra­to­ren war „Desktop-Computer“. Blub­bern­de Geräu­sche sind nicht zu hören.

Was­ser­stoff­ge­ne­ra­tor

Die Schnitt­stel­len der Was­ser­stoff­ge­ne­ra­to­ren ent­spre­chen der rei­nen Leh­re: Strom­an­schluss und Ein­füll­stut­zen für deio­ni­sier­tes Was­ser, Aus­lass­stut­zen für Was­ser­stoff und Sau­er­stoff. Der Was­ser­stoff kommt schon mit Über­druck für eine mög­li­che Zwi­schen­spei­che­rung aus dem Generator.

Ein sol­ches Gerät lie­fert in der Basis­ver­si­on 100 ml hoch­rei­nen Was­ser­stoff
( > 99.99996%) pro Minu­te. Der Was­ser­stoff­aus­stoß lässt sich durch Auf­rüs­ten der Basis­ver­si­on, leis­tungs­stär­ke­re Gerä­te (bis zu 18 Liter pro Minu­te) und das Zusam­men­schal­ten von Gerä­ten nach oben ska­lie­ren. Alter­na­tiv gibt es auch Ele­men­te, die im Rack (als Ein­schü­be über­ein­an­der) ange­ord­net wer­den kön­nen. Somit sind Anwen­dun­gen mit bis zu 18 Liter Was­ser­stoff pro Minu­te ein­fach umsetzbar.

Die Basis­ver­si­on mit 100 ml benö­tigt ca. 100 W Strom. Lösun­gen mit bis zu 18 Liter pro Minu­te erfor­dern ca. 6,4 kW Strom.

Elek­tro­ly­se­zel­len (links), im Gerät ein­ge­baut (rechts).

Die eigent­li­chen Elek­tro­ly­se­zel­len (links) sind eher unschein­bar und erin­nern im Gerät ein­ge­baut ent­fernt an Fest­plat­ten (im rech­ten Bild).

Für die tech­nisch tie­fer Inter­es­sier­ten: Die Elek­tro­ly­se­zel­le besteht aus einer Protonenaustausch-Membrane / Pro­ton Exch­an­ge Mem­bra­ne (PEM) mit Titan-Elektroden.

So viel zur Technik.

Wo werden diese Generatoren eingesetzt?

Die Haupt­ab­neh­mer sind die Pharma‑, Medizin- und die Chemie-Industrie, die Auto­mo­bil­in­dus­trie und die For­schungs­in­sti­tu­te. Der gene­rier­te Was­ser­stoff wird in der Gaschro­ma­to­gra­phie als Brenn- und Trä­ger­gas, sowie zum Test von Brenn­stoff­zel­len­kom­po­nen­ten benutzt.

Frü­her haben die­se Kun­den Was­ser­stoff aus Gas­fla­schen benutzt – mit Gas­ge­ne­ra­to­ren im Labor kann der Was­ser­stoff in der gewünsch­ten Men­ge ohne läs­ti­ge Logis­tik zum gewünsch­ten Zeit­punkt erzeugt wer­den. Dies ist nicht nur nach­hal­tig, son­dern auch sehr sicher beim Umgang mit Wasserstoff.

Idea­ler­wei­se sorgt eine Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach für den not­wen­di­gen elek­tri­schen Strom.

Wie arbeitet SCHMIDLIN mit seinen Kunden zusammen?

SCHMIDLIN beschäf­tigt fünf Mit­ar­bei­ter.  Wir bera­ten die Kun­den bei der Aus­wahl und Dimen­sio­nie­rung der Lösungs­kom­po­nen­ten, berei­ten die Gerä­te vor, lie­fern eine initia­le Ein­wei­sung und unter­stüt­zen auch bei der Inbe­trieb­nah­me der Gerä­te, auch über­neh­men wir den fach­li­chen Service.

Die Inbe­trieb­nah­me der Gerä­te wird für den Kun­den vor­be­rei­tet und ist so gut wie selbst­er­klä­rend (Plug & Play).

Die Gerä­te selbst sind auf eine lan­ge Lebens­dau­er und Dau­er­be­trieb (24/7) aus­ge­legt und im Prin­zip war­tungs­frei. Pro­ble­me könn­ten aller­dings ent­ste­hen, wenn das ver­wen­de­te Was­ser ver­un­rei­nigt ist (auch dies wird von Gerät erkannt).

Gibt es weitere Anwendungsfelder für die SCHMIDLIN-Produkte?

Ralf Win­ter­stein sieht vor allem einen alter­na­ti­ven Lösungs­an­satz für die Ener­gie­ver­sor­gung von Gebäu­den: Wer eine Pho­to­vol­ta­ik­an­la­ge auf dem Dach hat, kann im Som­mer die über­schüs­si­ge Ener­gie in Form von H2 spei­chern und im Win­ter den gespei­cher­ten Was­ser­stoff mit Hil­fe einer Brenn­stoff­zel­le in Strom und Wär­me ver­wan­deln. Die Nut­zung einer Brenn­stoff­zel­le ist aus Sicht von Ralf Win­ter­stein fle­xi­bler als das blo­ße Ver­bren­nen von Was­ser­stoff zur Wär­me­er­zeu­gung, da mit der Brenn­stoff­zel­le Strom erzeugt wer­den kann. Mit die­sem Strom kön­nen dann auch die elek­tri­schen Ver­brau­cher betrie­ben werden.

Die Ein­zel­kom­po­nen­ten für eine sol­che Lösung sind ver­füg­bar. Es wird aber noch min­des­ten 5 bis 10 Jah­re dau­ern, bis Gesamt­lö­sun­gen für die­ses Sze­na­rio im Markt nach­hal­tig und kos­ten­güns­tig ange­bo­ten wer­den können.

Ist die Elektrolyse-Technik ausgereizt?

Auf dem Markt, den SCHMIDLIN bedient, rech­net Ralf Win­ter­stein mit kei­nen gro­ßen Tech­no­lo­gie­sprün­gen, da die­se Tech­no­lo­gie über Jahr­zehn­te ste­tig wei­ter­ent­wi­ckelt wur­de. Bei Lösun­gen, die Was­ser­stoff im Mega-Watt-Bereich erzeu­gen sol­len, stel­len sich ande­re Fragen.

Wie wird der Markt sich entwickeln?

Bis­her habe er beim The­ma Was­ser­stoff eher Gegen­wind ver­spürt, meint Ralf Win­ter­stein. Durch die neue Regie­rung gebe es Rückenwind.

Die nöti­ge Trans­for­ma­ti­on sei lang­sam vor­an­ge­kom­men. Es brau­che bei­des: Ange­bo­te und Nach­fra­ge – ohne Nach­fra­ge zögern die Anbie­ter, ohne Ange­bot bil­det sich kei­ne Kun­den­nach­fra­ge. Es sei auch schwie­rig, tech­no­lo­gi­sche Vor­ga­ben zu machen. Der Markt for­de­re bedarfs­ge­rech­te Lösungen.

Deutsch­land sei jah­re­lang in der Pho­to­vol­ta­ik und in der Bat­te­rie­tech­nik füh­rend gewe­sen. Die­ser Vor­sprung sei lei­der ver­lo­ren gegan­gen. Beim The­ma Brenn­stoff­zel­le sei Deutsch­land noch füh­rend. Die­se Technologie-Führerschaft müs­se erhal­ten bleiben.

Was­ser­stoff als Ener­gie­trä­ger sei mit­tel­fris­tig nur sinn­voll, wenn er aus erneu­er­ba­ren Ener­gien erzeugt wer­de (Grü­ner Wasserstoff).

Zu guter Letzt unser kleiner neckar-alb.blog-Fragebogen an Ralf Winterstein

Wel­ches Auto fah­ren Sie?
Einen Audi e‑tron

Wel­che Umwelt­sün­de bege­hen Sie?
Kun­den­be­su­che (lacht)

Was wer­den die span­nen­den The­men der nächs­ten fünf Jah­re sein?
Die Erzeu­gung von Was­ser­stoff und die Rück­ver­wand­lung in Strom durch Brenn­stoff­zel­len sind auf dem Weg. Span­nend ist die Ver­wen­dung von Was­ser­stoff als Ener­gie­trä­ger auf der einen Sei­te und auf der ande­ren Sei­te die unter­schied­li­chen Mög­lich­kei­ten der (Zwischen-) Spei­che­rung von Was­ser­stoff wie z.B. unter Druck oder durch Ein­la­ge­rung in Trä­ger­sub­stan­zen (sog. Hydridspeicher)

Wen kön­nen Sie uns als wei­te­re Ansprech­part­ner zum The­ma Was­ser­stoff emp­feh­len?
Die Hoch­schu­len in Reut­lin­gen (Prof. Zen­ner) und die Hoch­schu­le Ess­lin­gen (Prof. Czarnetzki).

Text: Tho­mas Damrau
Bil­der: SCHMIDLIN GmbH

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Janne
1 Jahr zuvor

Ver­mut­lich sind die Mög­lich­kei­ten schon sehr viel wei­ter als das was wir wissen;)

Alles Gute

Jan­ne