Nachdem die FDP durch die reichlich illusorische Diskussion über eFuels bei den Wählern gepunktet hat, scheint diese Art der Diskussion nun in Serie zu gehen. Nächste Folge: Wärmewende. Ein weiterer sehr informativer Beitrag unseres meinungsstarken Schreibers Thomas Damrau.
In der Tat ist die Umstellung der Heizinfrastruktur auf CO2-arme Lösungen eine Herausforderung. Der typische Erfolgs-Bericht über einen Umbau der Heizung zeigt den gut situierten Hausbesitzer, der stolz erzählt, wie er sein (bereits gedämmtes) Einfamilienhaus mit Solarzellen und Wärmepumpe aufgerüstet hat. Dieses Szenario scheinen auch die Grünen im Hinterkopf zu haben, wenn sie über die Wärmewende sprechen. Sobald wir einen Baustein des Szenarios (gut situiert, Eigenheim, bereits gedämmt, …) herausnehmen, wird die Umstellung schon erheblich schwieriger.
Entsprechend sind die BürgerInnen verunsichert. Um diese Verunsicherung abzubauen, waren bisher massive finanzielle Zuschüsse und der Ausbau der Fernwärme in der Diskussion. Bis die FDP beschloss, die Erfolgsgeschichte der eFuel-Attacke zu klonen:
- Es beginnt mit der Forderung, die Regierung dürfe den Bürgern die Lösung der Heizungsfrage nicht vorschreiben. Man müsse „technologie-offen“ sein und dem Markt das Aussortieren der technischen Optionen überlassen.
- Die Rolle der eFuels wird vom „klimaneutralen Wasserstoff“ übernommen.
- Und schon sieht es so aus, als ob das Thema Wärmewende durch den Einbau eines „H2-ready“ Gasbrenners gelöst werden könne.
Wer diese Folge von „Die FDP löst Ihre Probleme mit einem Federstrich“ nachhören möchte, sei auf ein Interview mit dem FDP-Fraktions-Chef Dürr verwiesen. (Es ist wieder einmal erschreckend, wie wenig der Redakteur in diesem Interview kritisch nachhakt.)
Nun kann man natürlich Heizungen bauen, die Wasserstoff verbrennen können. Dabei kommen viele Brenner, die heute mit H2-ready beworben werden, nur mit kleinen Beimischungen von Wasserstoff zu Erdgas zurecht – aber das ist vermutlich technisch lösbar.
Spannder ist die Frage, wo der Wasserstoff herkommen soll – und zwar unter zwei Aspekten:
1. Wie viel Wasserstoff steht zur Verfügung? Im Augenblick ist Wasserstoff ein knappes und teures Gut. Das mag sich in den nächsten Jahrzehnten ändern. Aber die vage Aussicht, es könne in 25 Jahren Wasserstoff in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, hilft natürlich heute bei der Auswahl der Heizungstechnologie nicht weiter.
2. Wie kommt der Wasserstoff zum Verbraucher? Das existierende Gasnetz bietet sich scheinbar an. Es gibt unterschiedliche Meinungen, ob dieses Netz mit reinem Wasserstoff zurecht kommen wird. Noch grundlegender ist allerdings die Frage, wie man mit demselben Netz gleichzeitig Heizungen versorgen kann, die zum einen Teil 100% Wasserstoff vertragen und zum anderen Teil rein auf Erdgas ausgerichtet sind. Daher müssten separate Leitungen für Wasserstoff und Gas verlegt werden. Das ist aufgrund der riesigen Investitionskosten utopisch.
Wir erkennen dasselbe Muster wie bei den eFuels:
- Es wird eine theoretisch mögliche Lösung vorgeschlagen.
- Die nötigen Voraussetzungen werden nicht thematisiert.
- Zeit- und Geldbedarf werden ausgeblendet.
- Die Lösung wird in vielen Medien unkritisch weiterverbreitet.
- Die Bürger werden verunsichert: „Kann ich die Prospekte für diese blöden e‑Autos doch wegwerfen?“, „Gibt es beim Thema Heizen die kleine Lösung?“
- Der Markt reagiert, wie Märkte nun mal reagieren:
- Wer bisher mit fossilen Techniken Geld verdient, greift dankbar nach dem Strohhalm und modifiziert existierende Produkte.
- Wer die scheinbar einfachere Lösung nachfragt, wird einen Anbieter finden.
- Die Verbraucher stellen nach einigen Jahre fest, dass die nötige Infrastruktur für ihre Anschaffung (eFuel-PKW, Wasserstoff-Heizung) fehlt. Dann wird unweigerlich die Forderung folgen, mit Diesel weiter fahren und mit Erdgas heizen zu dürfen.
Die Apologeten des Marktes vergessen gerne, dass „Der Markt“ sich in erster Linie an Gewinnerwartungen orientiert. Solange Geld verdient werden kann, ist es zweitrangig, ob ein Produkt tatsächlich ein Problem löst. Und bis der Verbraucher merkt, dass er auf’s falsche Pferd gesetzt hat, und bis das letzte Fünkchen Hoffnung erloschen ist, vergehen gerade bei teuren Investitionen oft Jahre.
Haben wir wirklich die Zeit (und das Geld), um uns mit abenteuerlichen Lösungsansätzen zu verzetteln?
PS: Realistischer ist es, eine Wasserstoff-Heizung mit Strom vom eigenen Dach zu betreiben.
Text: Thomas Damrau
Foto: Pixabay Daniel Kirsch