Ohne bürgerliches Engagement würde so manches nachhaltige Projekt nicht umgesetzt. Mit unermüdlichem Arbeitseinsatz haben ehrenamtliche Naturpaten im Rottenburger „Lebensraum Weggental“ die Grundlage für mehr Biodiversität geschaffen.
„Ein Teil des Gebietes ist bereits seit 1938 als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Damit ist es das zweitälteste im Regierungsbezirk Tübingen“, weiß Rainer Schnell, der zum fünfköpfigen Koordinationsteam des Projektes gehört.
Die Kulturlandschaft mit seiner barocken Weggentalkirche ist ein beliebtes Ausflugsziel. Ein Rundweg lädt zu einem abwechslungsreichen Spaziergang ein, vorbei an Weinreben und malerischen Gärten. Der sogenannte Trichter öffnet den Blick „wie ein natürliches Amphitheater“ auf üppig-grüne Hänge, umgeben von Wiesen und Feldern. Doch um Landschaft und Artenreichtum war es schlecht bestellt.
Denn werden Flächen nicht mehr bewirtschaftet, kommen Gebüsche und Stauden auf, und verdrängen niedrigwüchsige, konkurrenzschwache Arten. Diese Prozesse nennt man Verbuschung und Versaumung. Aber auch die intensive Bewirtschaftung der Gärten ließ die Artenvielfalt schrumpfen. Es drohte die Aberkennung des Naturschutzgebietes.
Käferspezialist Rainer Schnell und Blumenkenner Thomas Lange beschlossen zu handeln: Sie begründeten das Bürgerprojekt „Lebensraum Weggental“. In dem die Bürgerstiftung Rottenburg das Projekt in ihr Programm aufgenommen hat, ist das Engagement langfristig abgesichert. Unterstützung gibt es zudem seitens Behörden, BUND, NABU, Schwäbischem Albverein und vielen freiwilligen Helfern.
2018 begannen die Arbeiten im Gelände. Große, botanisch hochwertige Flächen im Trichterhang wurden entbuscht. 2020 war der Korridor endlich freigestellt. Damit nicht alles wieder zuwächst, weiden dort Ziege und Schafe, „und wir hoffen, dass die Tiere Samen eintragen“, sagt Rainer Schnell.
Für die Artenvielfalt sei die Verbuschung absolut schädlich gewesen. „Entbuscht können sich Offenlandvögel wieder ansiedeln, wie etwa der Raubwürger. Auch 86 Prozent der Wildbienen leben im offenen Land. Heuschrecken gibt es in verbuschten Gebieten keine. Wir sehen aber jetzt, dass sie sich wieder ansiedeln.“ Leider sei die Silberdistel nicht mehr zu finden, und dass der Kreuzenzian ausgestorben ist, wahrscheinlich für immer, bedauert der Insektenliebhaber sehr. „Jede Pflanze hat im Durchschnitt sechs Insekten, die von ihr leben. Ist die Pflanze nicht mehr da, sind auch die Insekten weg. Das heißt, ohne Kreuzenzian kein Kreuzenzianbläuling.“
Die nachhaltige Arbeit geht nie aus. Aktuell gilt ein Augenmerk heimischen Amphibien und Reptilien: Ein neuer Salamanderbrunnen soll den Tieren als Ablaichort dienen; für Eidechsen, die relativ selten vorkommen, werden eigene Biotope gestaltet. Auf dem Plan steht zudem die wissenschaftliche Arterfassung der Fledermäuse, die im Weggental nisten, und von Schmetterlingen und Tagfaltern. Vier Abende Lichtfang sollen weiter Aufschluss über Nachtfalter und Käfer geben. „Natürlich beobachten wir die Entwicklung über die nächsten Jahre sehr genau und hoffen auf einen sich neu entfaltenden Artenreichtum.“
Bilder:
Trichter-Ehehalde: Gerhard Groebe
Silberdistel: Pixabay
Raubwürger: Marek Szczepanek, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons