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Die verwirrende Welt der nachhaltigen Finanzen

Lese­dau­er 10 Minu­ten

Mit gutem Gewis­sen sein Erspar­tes öko­lo­gisch kor­rekt anle­gen, das möch­ten immer mehr Men­schen. Doch die Welt kli­ma­freund­li­cher Finanz­pro­duk­te ist eine ver­wir­ren­de, das Ange­bot in den letz­ten Jah­ren enorm gewach­sen. Wor­an kön­nen wir uns ori­en­tie­ren? Und kön­nen öko­lo­gi­sche Finanz­an­sät­ze (welt)wirtschaftlich und gesell­schaft­lich tat­säch­lich etwas bewir­ken? Die­se und noch mehr Fra­gen beant­wor­tet Bernd Vill­hau­er, Geschäfts­füh­rer des Welt­ethos Insti­tut Tübin­gen und Exper­te für nach­hal­ti­ge Finan­zen, Geld­theo­rie und Finanzethik. 

Bernd Vill­hau­er, Geschäfts­füh­rer des Welt­ethos Insti­tuts Tübingen

Herr Vill­hau­er, die nach­hal­ti­ge Finanz­welt ist sehr ver­wir­rend, unter ande­rem, weil sie mit erklä­rungs­be­dürf­ti­gen Kür­zeln arbei­tet (CSR, SDG, ESG) und nicht mit Angli­zis­men geizt. Wenn nun ein bra­ver Öko-Bürger – der den Müll sau­ber trennt, den Nah­ver­kehr nutzt, sein eige­nes Gemü­se anbaut – sich auf­macht, sein Geld fürs Ren­ten­al­ter nachhaltig-korrekt anzu­le­gen, dann scheint ihn die Finanz­welt nicht trans­pa­rent und ver­ständ­lich abho­len zu wol­len. War­um ist das so?

Der bra­ve Öko-Bürger wird schnell erken­nen, dass eini­ge Schwie­rig­kei­ten und Ver­wir­run­gen ent­stan­den sind, weil sich die Finanz­bran­che ger­ne in geheim­nis­vol­lem Fach­chi­ne­sisch dar­stellt. Da geht es ihr wie vie­len ande­ren: Die Repu­ta­ti­on lässt sich leicht erhö­hen, wenn kom­pli­zier­te Ter­mi­no­lo­gie, For­meln oder schwie­ri­ge Model­le ins Spiel kom­men. Gera­de Deut­sche lie­ben die Voodoo-Sprachen der Exper­ten. Ein gewis­ser Mut ist not­wen­dig, um die Din­ge klar und ein­fach auszudrücken.

Aber es gibt noch einen zusätz­li­chen Grund: Trans­for­ma­tio­nen hin zu einem öko­lo­gi­schen Lebens- und Wirt­schafts­mo­dell sind eben sehr kom­plex. Vie­le Fra­gen müs­sen berück­sich­tigt, vie­le Wider­sprüch­lich­kei­ten geklärt wer­den, wobei öko­no­mi­sche, sozia­le, tech­no­lo­gi­sche und ande­re Pro­ble­me sich gegen­sei­tig beein­flus­sen. Der Weg, auf den wir uns gera­de gemein­sam machen, ist lan­ge und gewun­den, die Kar­ten für ihn wer­den gera­de erst erstellt. Es ist schwer, den Umbau einer Zivi­li­sa­ti­on in einer Twit­ter­nach­richt zusammenzufassen.

Klima-Rankings, Sie­gel, ESG-Datenbanken, Thinktanks: Es gibt eine Fül­le von Infor­ma­ti­ons­quel­len. Wie soll der Anle­ger sei­ne Suche nach einem kli­ma­freund­li­chen Invest­ment angehen?

Inter­es­sier­te soll­ten über­le­gen, ob sie fähig, bereit und wil­lens sind, sich selbst mit den kom­ple­xen Fra­gen aus­ein­an­der­zu­set­zen oder ob sie lie­ber eine pro­fes­sio­nel­le Bera­tung und Betreu­ung wol­len. Wenn wir einen Com­pu­ter nut­zen, dann müs­sen wir ja auch nicht in allen Details wis­sen, wie er funk­tio­niert. Bei den meis­ten Men­schen wird des­halb das Letz­te­re der Fall sein: Sie wol­len ein­fach gut bera­ten bezie­hungs­wei­se betreut sein und jeman­dem ihr Geld zur Ver­wal­tung geben. Und dann gilt es eben, gut hin­zu­se­hen, wem man ver­trau­en möchte.

Für das ver­ant­wort­li­che Invest­ment emp­feh­le ich die­je­ni­gen zu wäh­len, die sich schon län­ger für nach­hal­ti­ge Finan­zen ein­set­zen. Es soll­ten also Ban­ken, Fonds­ge­sell­schaf­ten, Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaf­ten oder Finanz­be­ra­ter mit lan­gem „Track Record“ bevor­zugt wer­den. Wer sich erst seit ges­tern mit Nach­hal­tig­keit beschäf­tigt und nun Hoch­glanz­bro­schü­ren mit neu geschaf­fe­nen Öko-Fonds prä­sen­tiert, ist meist nicht sehr glaub­haft. Fra­gen Sie also, seit wann der ent­spre­chen­de Part­ner nach­hal­ti­ge Pro­duk­te anbie­tet und wie vie­le Jah­re Erfah­rung mit Exper­ti­se dahin­ter­ste­hen. Zudem soll­ten die Infor­ma­tio­nen ver­ständ­lich und klar sein. Inves­tie­ren Sie nur in das, was Sie ver­ste­hen! Auch ist es rat­sam, bei über­durch­schnitt­li­chen Ren­di­te­ver­spre­chen sehr kri­tisch zu sein. Die wenigs­ten Anbie­ter kön­nen ein­mal den Markt schla­gen, dau­er­haft nie­mand. Wer Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen und Tests sucht, der ist mit den Zeit­schrif­ten „Finanz­test“ und „ECO­re­por­ter“ gut bedient.

Das Ange­bot etwa an nach­hal­ti­gen Fonds wächst und wächst. Die ange­wand­ten Kri­te­ri­en sind nicht ein­heit­lich, was es schwer macht, die Pro­duk­te zu beur­tei­len. Wie defi­nie­ren Sie eine nach­hal­ti­ge Anla­ge? War­um gibt es dafür kei­nen Standard?

Zu die­ser Fra­ge lässt sich pro­blem­los ein umfang­rei­ches Buch schrei­ben. Die Kri­te­ri­en für Nach­hal­tig­keit sind unter ande­rem des­halb nicht ganz leicht zu fas­sen, weil wir die Wir­kung, den soge­nann­ten „Impact“, oft nur ansatz­wei­se – und manch­mal nicht nur in rein finan­zi­el­len Begrif­fen – beschrei­ben kön­nen. Es ist wich­tig, sich klar­zu­ma­chen, war­um die ESG-Formel ent­wi­ckelt wur­de: E für „Eco­lo­gi­cal“, S für „Social“ und G für „Gover­nan­ce“. Ech­te Nach­hal­tig­keit muss die­se drei Kri­te­ri­en berück­sich­ti­gen: öko­lo­gi­sche und sozia­le Dimen­sio­nen eben­so wie sol­che der Unternehmensführung.

Wie aber lässt sich das in eine schö­ne Matrix mit kla­rem Zah­len­ma­te­ri­al packen? Denn Inves­to­ren und Anle­ger brau­chen kla­re und mög­lichst in Zah­len aus­drück­ba­re Kri­te­ri­en. Des­halb ent­wi­ckelt die EU gera­de eine Taxo­no­mie mit Beschrei­bun­gen der ein­zel­nen Nach­hal­tig­keits­fak­to­ren. Und des­halb ent­wi­ckeln auch immer mehr Rating­agen­tu­ren Kri­te­ri­en­ka­ta­lo­ge, die auf den SDGs, den Sus­tainable Deve­lo­p­ment Goals der UN basie­ren. Und da gibt es schon gute Fort­schrit­te, die vor allem eins zei­gen: Unein­heit­lich­kei­ten dür­fen kein Vor­wand für Nichts­tun sein. Wenn ein Unter­neh­men nach­hal­tig agie­ren will, dann kann es das – es muss eben erklä­ren, was es war­um unter Nach­hal­tig­keit ver­steht. Nichts­tun ist kei­ne Antwort!

Ist es nicht auch schwie­rig, unter­schied­li­chen Bran­chen in der nach­hal­ti­gen Beur­tei­lung gerecht zu wer­den? Ein Beton­werk und ein IT-Unternehmen sind doch kaum vergleichbar.

Ver­schie­de­ne Bran­chen tra­gen in der Tat auch unter­schied­lich zu den Umwelt­pro­ble­men bei. Man­chen Fir­men fällt es leich­ter, einen guten öko­lo­gi­schen Fuß­ab­druck zu prä­sen­tie­ren. Ande­re wer­den vie­le Ver­än­de­run­gen durch­lau­fen und ihr Geschäfts­mo­dell grund­le­gend ändern müs­sen. Digi­ta­le Unter­neh­men wer­den so meist unver­hält­nis­mä­ßig posi­tiv ein­ge­schätzt: weil sie wenig indus­tri­el­le Pro­zes­se haben, die Emis­sio­nen oder Land­ver­brauch beinhal­ten. Und die sozia­len Fol­gen davon, dass ein Onlin­ever­sen­der den Ein­zel­han­del zer­stört oder die Innen­städ­te ver­öden lässt, ist schwer zu qualifizieren.

Hin­zu kommt: Der Geld­markt ist inter­na­tio­nal; daher wer­den die Finanz­pro­duk­te auch länder- und kul­tur­über­grei­fend gehan­delt. Nun sehen aber Deut­sche und Fran­zo­sen die Atom­kraft ganz unter­schied­lich: Wir stu­fen sie nega­tiv ein, unse­re Nach­barn öko­lo­gisch akzep­ta­bel. Ein ande­res Bei­spiel sind Abtrei­bun­gen: US-amerikanische Anle­ger, die ethisch inves­tie­ren wol­len, legen oft gro­ßen Wert dar­auf, nicht in irgend­ei­ner Wei­se mit Fir­men oder Kli­ni­ken zu tun zu haben, die Schwan­ger­schafts­ab­brü­che ermög­li­chen. Wir müs­sen hier ler­nen, länder- und bran­chen­spe­zi­fisch zu agieren.

Intrans­pa­renz öff­net Green­wa­shing Tür und Tor. Wie kann der gewill­te Anle­ger Green­wa­shing entlarven?

Dazu habe ich oben schon Hin­wei­se gege­ben: Trans­pa­renz ist der Schlüs­sel. Wir soll­ten fra­gen: Was haben die­se Anbie­ter vor Jah­ren gemacht? Mit wem arbei­ten sie zusam­men? Kön­nen sie ihren Ansatz schlüs­sig und ver­ständ­lich dar­stel­len? Ver­spre­chen sie „Traum­ren­di­ten“ oder markt­üb­li­che? Das sind zen­tra­le Fra­gen. Außer­dem soll­te, obwohl das oft nicht ein­fach ist, immer nach Wir­kungs­ket­ten gefragt wer­den: Was genau ver­än­dert mein Invest­ment? Wenn dar­auf kei­ne oder nur eine hin­hal­ten­de, ver­schlei­ern­de Ant­wort erfolgt, dann ist es Zeit, den Greenwashing-Alarm auszulösen.

Kön­nen nach­hal­ti­ge Ansät­ze Finanz­märk­te über­haupt beeinflussen?

Ein wesent­li­cher Antrieb unse­res gan­zen Wirt­schafts­sys­tems ist die Ren­di­te­er­war­tung. Viel­leicht ist das nicht das ein­zi­ge Motiv, aber doch ein sehr mäch­ti­ges. Wenn nun nach­hal­ti­ge Pro­duk­ti­on und Kon­sump­ti­on bes­se­re Ren­di­te erwar­ten lässt als umwelt­schäd­li­che, dann ändert sich natür­lich etwas.

Zudem gibt es einen mäch­ti­gen Nach­fra­ge­druck. Eine gan­ze Gene­ra­ti­on macht sich auf den Weg, Geld umzu­schich­ten. Das „Forum Nach­hal­ti­ge Geld­an­la­gen“ (FNG) beob­ach­tet den Markt genau und hat in sei­ner letz­ten Erhe­bung beschrie­ben, dass sich bei­spiels­wei­se 2020 die Gesamt­sum­me der nach­hal­tig ange­leg­ten Gel­der auf rund 335 Mil­li­ar­den Euro erhöht hat, eine Stei­ge­rung um 25 % gegen­über dem Vor­jahr. Ein wei­te­rer Fak­tor sind die Geschäfts­neu­grün­dun­gen. Geld wird ver­stärkt öko­lo­gisch wert­vol­len Start-ups zur Ver­fü­gung gestellt. Da gibt es schon lan­ge nicht mehr nur den smar­ten Pro­fit­ma­xi­mie­rer, der mög­lichst schnell einen lukra­ti­ven Absprung sucht.

Ethik und Finanz­welt wer­den nicht gera­de als Schwes­tern im Geis­te ange­se­hen. Nicht umsonst heißt es, Geld stinkt, Geld ist schmut­zig. Sind nach­hal­ti­ge Finan­zen die „Guten“ auf der Spiel­wie­se der Bör­sen und Wirtschaftswelten?

Mit „gut“ und „böse“ soll­ten wir ein biss­chen vor­sich­tig sein, aber jeden­falls kann das Finanz­sys­tem ganz unter­schied­li­che For­men anneh­men und unter­schied­li­che (men­schen­freund­li­che­re und men­schen­feind­li­che­re) Wirt­schafts­struk­tu­ren ermög­li­chen. Wir kön­nen mit ihm eine Wirt­schaft schaf­fen, die unser Über­le­ben sichert oder eine, die uns in den Abgrund stürzt. Im Augen­blick sind die Chan­cen für bei­des gegeben.

Wel­cher Weg von nach­hal­ti­gen Finanz­stra­te­gien unter­stützt wird, das hängt aber davon ab, ob wir nach­voll­zieh­ba­re Wir­kun­gen beschrei­ben kön­nen. „Was bewirkt das Geld?“ – das ist die Schlüs­sel­fra­ge. Und es ist schon hilf­reich, sie über­haupt zu stel­len, auch wenn wir noch kei­ne ein­fa­che Ant­wort geben kön­nen. Denn dann beschrei­ben wir das Geld in einem Rah­men der Ver­ant­wor­tung und der mensch­li­chen Ein­fluss­nah­me und tun nicht so, als sei es ein Natur­phä­no­men wie das Wet­ter oder die Schwer­kraft. Wir haben als Men­schen das Geld zu bestimm­ten Zwe­cken geschaf­fen. Reden wir dar­über! Erst dann kann auch so etwas wie eine ethi­sche Bewer­tung stattfinden.

Black­Rock ist der welt­weit größ­te Ver­mö­gens­ver­wal­ter (Ende 2020 unfass­ba­re rund 8,7 Bil­lio­nen Dol­lar). Vor nicht all­zu lan­ger Zeit hat der Vor­stands­vor­sit­zen­de Lar­ry Fink ver­lau­ten las­sen: Nach­hal­tig­keit wer­de Black­Rocks neu­er Invest­ment­stan­dard. Wie ist das ein­zu­schät­zen? Wel­che Aus­wir­kun­gen kann ein State­ment eines so mäch­ti­gen Man­nes auf die Welt­wirt­schaft haben?

Lar­ry Fink äußert sich in sei­nen Inves­to­ren­brie­fen schon seit gerau­mer Zeit zu den sozia­len und öko­lo­gi­schen Ver­ant­wort­lich­kei­ten der Finanz­bran­che. Schon seit mehr als zehn Jah­ren wird sei­ne Bot­schaft immer dring­li­cher. 2020 schrieb er zum Bei­spiel, dass sich das öko­lo­gi­sche Bewusst­sein der Men­schen welt­weit sehr schnell ände­re und dass sei­ne Bran­che reagie­ren müs­se: „Ich bin über­zeugt, dass wir vor einer fun­da­men­ta­len Umge­stal­tung der Finanz­welt ste­hen.“ Und 2021 for­der­te er, dass bei allen Invest­ments Kli­ma­neu­tra­li­tät bis spä­tes­tens 2050 ange­strebt wer­den soll.

Es gibt zu sei­nen Stel­lung­nah­men eine inter­es­san­te Ana­ly­se der Orga­ni­sa­ti­on „urge­wald“, die sich mit Nach­hal­tig­keits­fra­gen im Finanz­be­reich beschäf­tigt. Hier wird her­aus­ge­stellt, dass Fink tat­säch­lich immer stär­ke­ren Druck auf die Unter­neh­men aus­übt, sich nach­hal­tig auf­zu­stel­len, dass aber immer noch kla­rer gefasst wer­den muss, was von Black­Rock unter „Kli­ma­neu­tra­li­tät“ ver­stan­den wird und wie das Unter­neh­men sich die genaue Ein­fluss­nah­me vor­stellt. So gibt es etwa noch viel zu weni­ge Ange­stell­te bei Black­Rock, die kon­kret auf ein­zel­ne Fir­men zuge­hen, in den Haupt­ver­samm­lun­gen ihre Stim­me erhe­ben oder Detail­maß­nah­men ins Gespräch brin­gen. Nur all­ge­mein zu for­dern, das reicht eben nicht…

 Wenn jetzt tat­säch­lich Kon­zer­ne wie Daim­ler, Nest­lé etc. zu 100 % auf nach­hal­ti­ge Finan­zen umstel­len wür­den, was hät­te das für eine Wir­kung? Mit wel­chen Argu­men­ten kann man (klei­ne­re) Unter­neh­men davon über­zeu­gen, ihre Gel­der und Anla­gen nach­hal­tig zu investieren?

Natür­lich hat jede Ände­rung in der Unter­neh­mens­po­li­tik Aus­wir­kun­gen und schon der kleins­te Bei­trag hilft. Wenn ein Unter­neh­men wie Nest­lé mehr Recy­cling unter­stützt und ent­spre­chen­de Fla­schen oder Dosen ver­wen­det, dann hat das eben­so Aus­wir­kun­gen wie wenn es sei­ne Gel­der von einer nach­hal­ti­gen Bank ver­wal­ten lässt bezie­hungs­wei­se grü­ne Anlei­hen ausgibt.

Klei­ne Unter­neh­men kön­nen zum Bei­spiel davon aus­ge­hen, dass die Vola­ti­li­tät, also die Wert­ver­än­de­run­gen bei nach­hal­ti­gen Anla­gen, meist weni­ger extrem sind als bei nicht-nachhaltigen. Für sie ist auch der Markt der nach­hal­ti­gen Anlei­hen in den Blick zu neh­men. Außer­dem bil­den sich um nach­hal­ti­ge Anla­gen her­um gänz­lich neue Kom­pe­tenz­clus­ter: Ein mit­tel­stän­di­sches Unter­neh­men, das sich auch bei sei­nen Finan­zen auf den Weg macht und neue Part­ner fin­det, kann deren Sach­ver­stand bei der Beur­tei­lung von inno­va­ti­ven Tech­no­lo­gien und Unter­neh­mens­stra­te­gien nutzen.

Ein ande­rer wich­ti­ger Punkt ist die posi­ti­ve Impact-Orientierung. Lan­ge Zeit war nach­hal­ti­ges Invest­ment dar­auf kon­zen­triert, das Schlech­te zu ver­mei­den. Es geht aber zuneh­mend dar­um, das Gute zu tun. Wenn zum Bei­spiel Fami­ly Offices, die Geld für ver­mö­gen­de Kun­den ver­wal­ten, eine Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie for­mu­lie­ren, dann stellt die­se oft Inves­ti­tio­nen in zukunfts­wei­sen­de öko­lo­gi­sche Geschäfts­mo­del­le in den Vor­der­grund. Das wirkt sich auch in der Startup-Szene aus.

Was könn­te Poli­tik bei­steu­ern? Stich­wort Staatsfonds.

Ein staat­li­cher Fonds könn­te hier noch zusätz­lich beschleu­ni­gend wir­ken. Zum einen wäre es klug, einen sol­chen Fonds als zusätz­li­che Kapi­tal­sam­mel­stel­le nach dem Vor­bild des nor­we­gi­schen Staats­fonds zu haben, aber ande­rer­seits kön­nen auch bewusst posi­ti­ve Ent­wick­lun­gen in ein­zel­nen Wirt­schafts­sek­to­ren damit geför­dert werden.

Um dem Kli­ma­wan­del ent­ge­gen­zu­wir­ken, müs­sen wir Lebens­wei­sen über­den­ken und Unter­neh­mens­phi­lo­so­phien neu­ge­stal­ten. Es gibt schon eini­ge Unter­neh­men, die unter ande­rem auf Kreis­lauf­wirt­schaft und weni­ger Ver­brauch von natür­li­chen Res­sour­cen set­zen – also auch auf „weni­ger“. Gleich­zei­tig leben wir in einer Welt, die ste­ti­gem Wachs­tum hin­ter­her hechelt. Ist Wirt­schafts­wachs­tum noch zeit­ge­mäß? Ist der Wohl­stand tat­säch­lich davon abhän­gig, wie häu­fig argu­men­tiert wird? Wel­chen dazu alter­na­ti­ven Sys­tem­ent­wurf könn­te es geben?

Das hat eine ganz prak­ti­sche und eine theo­re­ti­sche Sei­te. Was ist Wachs­tum? Ähn­lich wie zur zen­tra­len Fra­ge „Was ist Geld?“ gibt die Wirt­schafts­wis­sen­schaft auf die Fra­ge rich­ti­ge Ant­wor­ten, die aber oft das Wesent­li­che ver­feh­len, weil sie jeweils nur einen Aspekt der Fra­ge berück­sich­ti­gen. Die Öko­no­men ste­hen noch am Anfang eines Ver­ständ­nis­ses, wie und war­um Wachs­tum wirkt. Ich neh­me mich da über­haupt nicht aus… Eines steht fest: Es gibt sicher­lich sehr ver­schie­de­ne For­men von Wachs­tum und wir müs­sen die­je­ni­gen för­dern, die nicht unse­re Lebens­ver­hält­nis­se zer­stö­ren. Wachs­tum soll­te Res­sour­cen schaf­fen und nicht vernichten.

Unse­re prak­ti­sche Erfah­rung mit die­ser Wirt­schaft sagt uns, dass wir Ent­wick­lung und Ver­bes­se­rung benö­ti­gen, einen Fort­schritt – aber nicht unbe­dingt ein men­gen­mä­ßi­ges Wachstum…

Sie fra­gen zudem noch nach einem neu­en Sys­tem­ent­wurf. Da ist es viel­leicht ent­täu­schend, wenn ich ant­wor­te: Wir haben schon ein her­vor­ra­gen­des Sys­tem, das fle­xi­bel und ent­wick­lungs­fä­hig genug ist, auch den Sprung in die öko­lo­gi­sche Markt­wirt­schaft zu ermög­li­chen. Es gibt so vie­le Spiel­ar­ten des Kapi­ta­lis­mus, da ist auch eine sozia­le und öko­lo­gi­sche Markt­wirt­schaft gut möglich.

Zu guter Letzt unser klei­ner neckar-alb.blog Fra­ge­bo­gen  an Bernd Villhauer

 Wie haben Sie Ihr Geld angelegt? 

In Akti­en­fonds (vor allem nach­hal­ti­gen), in Immo­bi­li­en und in Gold­mün­zen des Kai­ser­reichs. Wenn mir das zu lang­wei­lig wird, dann kau­fe ich alte und sel­te­ne Comics oder merk­wür­di­ge Vinylplatten.

 Wel­ches Auto fah­ren Sie? 

Kei­nes. Ich hat­te nie ein Auto und brau­che es auch nicht.

 Wel­che klei­ne Bio­sün­de gön­nen Sie sich? 

Gele­gent­lich rau­che ich eine dicke Zigarre.

 Wie sieht die Welt von mor­gen aus? 

Weni­ger europäisch.

Ihre Emp­feh­lung für einen wei­te­ren Blogbeitrag?

Zwei Berei­che: Bio­tech­no­lo­gie und Mate­ri­al­tech­nik. Und mei­ner Ansicht nach sind Gesprä­che mit Ver­tre­tern von zukunfts­ori­en­tier­ten Fami­ly Offices/Vermögensverwaltern hilf­reich. Klu­ges Invest­ment bleibt ein Zukunftsthema.

Elke Schwar­zer

 Fotos: Pix­a­bay, Welt­ethos Insti­tut Tübingen

Zur Per­son

Zahl­rei­che Kri­sen, Skan­da­le und Her­aus­for­de­run­gen in der Wirtschafts- und Finanz­welt wei­sen dar­auf hin, dass die glo­ba­le Wirt­schaft drin­gend eine ethi­sche Rah­men­ord­nung benö­tigt. Das Tübin­ger Welt­ethos Insti­tut enga­giert sich, basie­rend auf der Weltethos-Idee von Hans Küng, für eine Wirt­schaft, die Lösun­gen für gesell­schaft­li­che Her­aus­for­de­run­gen bie­tet. Das Insti­tut wur­de im April 2012 hier­für von der Stif­tung Welt­ethos in Zusam­men­ar­beit mit der Uni­ver­si­tät Tübin­gen und der Karl Schlecht Stif­tung gegründet.

Bernd Vill­hau­er ist seit Janu­ar 2015 Geschäfts­füh­rer des Weltethos-Instituts. Gebo­ren 1966, stu­dier­te er nach einer Aus­bil­dung zum Indus­trie­kauf­mann Phi­lo­so­phie, Alter­tums­wis­sen­schaft und Kunst­ge­schich­te an den Uni­ver­si­tä­ten Frei­burg, Jena und Hull (UK). Nach sei­ner Pro­mo­ti­on zu einem kul­tur­phi­lo­so­phi­schen The­ma war er im Verlags- und Medi­en­be­reich tätig, zuletzt als Lek­to­rats­lei­ter der Ver­lags­grup­pe Narr Fran­cke Attemp­to. Er ist Mit­be­grün­der des Insti­tuts für Pra­xis der Phi­lo­so­phie e.V. in Darm­stadt, lei­tet das Lab “Good Lea­der­ship” an der Euro­pean School of Gover­nan­ce und die For­schungs­grup­pe Finan­zen und Wirt­schaft am Weltethos-Institut. Sei­ne Arbeits­schwer­punk­te lie­gen im Bereich Nach­hal­ti­ge Finan­zen, Geld­theo­rie und Finanz­ethik. Er schreibt regel­mä­ßig in sei­nem Blog „Finanz & Ele­ganz“  über absei­ti­ge Bör­sen­the­men, hat gera­de mit Fried­rich Glau­ner den Band „Alles neu“ zu inno­va­ti­ven nach­hal­ti­gen Geschäfts­mo­del­len ver­öf­fent­licht und bringt eben­falls 2021 sein Buch „Finanz­markt und Ethik“ heraus.

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