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Vorsicht: Nachhaltigkeits-Falle!

Lese­dau­er 5 Minu­ten

Es geht nicht dar­um, die Welt zu ret­ten, viel­mehr uns selbst, schreibt Chris­ti­an Man­gold in sei­nem sehr per­sön­li­chen Buch „Die Nachhaltigkeits-Falle“. Wür­de jeder Ein­zel­ne das mehr ver­in­ner­li­chen, käme das Welt-Retten fast von selbst.

Chris­ti­an Mangold

Der Göp­pin­g­er Chris­ti­an Man­gold beschäf­tigt sich seit über 25 Jah­ren mit Öko­lo­gie und Nach­hal­tig­keit. Für den damals 16-Jährigen war der Umwelt­gip­fel 1992 in Rio ein maß­geb­li­cher Grund, sich inten­si­ver mit dem poli­ti­schen Welt­ge­sche­hen zu beschäf­ti­gen. In den Fol­ge­jah­ren trat er ver­schie­de­nen Umwelt­schutz­or­ga­ni­sa­tio­nen bei und war poli­tisch in einer klei­ne­ren öko­lo­gi­schen Par­tei aktiv. Nach sei­nem Stu­di­um der Inter­na­tio­na­len Betriebs­wirt­schaft arbei­te­te er ins­ge­samt 16 Jah­re in ver­schie­de­nen Posi­tio­nen für die Wala Heil­mit­tel GmbH/Dr. Haus­ch­ka und Wele­da; bei­de Unter­neh­men sind Pio­nie­re des nach­hal­ti­gen Wirt­schaf­tens. Was ihm gleich­zei­tig kei­ne Ruhe ließ: dass die Umwelt­zer­stö­rung unge­bremst wei­ter vor­an­schritt. Er begann, an sei­nem eige­nen Lebens­ent­wurf zu zwei­feln und ent­schloss sich schließ­lich dazu, „aus dem Hams­ter­rad aus­zu­stei­gen und das in die Welt zu brin­gen, was ich bei­zu­tra­gen habe. Der ers­te Schritt dazu ist die­ses Buch.“

Chris­ti­an, vie­le träu­men davon, ihren unge­lieb­ten Job an den Nagel zu hän­gen, Du hast es getan.

Ich habe fach­fremd in der IT gear­bei­tet, dort das CRM-System betreut. Im Lau­fe der Zeit kamen ver­schie­de­ne wei­te­re Sys­te­me dazu, und ich habe ins Pro­gram­mie­ren rein­ge­schnup­pert. Das war über­haupt nicht mein Ding. Dazu kamen Pro­zess­än­de­run­gen, Umstruk­tu­rie­run­gen. Das Gefühl, mein Hand­lungs­spiel­raum wür­de immer klei­ner und ich ent­fer­ne mich vom Wesent­li­chen, ver­stärk­te sich. Kurz und gut: Ich war unglück­lich und woll­te so nicht bis zur Ren­te wei­ter­ma­chen. Schon immer spür­te ich den Wunsch in mir, was Eige­nes zu machen; aber ich wuss­te nicht, in wel­cher Form.

Du hast Dich schon sehr jung für nach­hal­ti­ge The­men enga­giert. War das rück­bli­ckend bereits Teil Dei­ner Suche?

Das war wäh­rend mei­ner Schul- und Stu­di­en­zeit. Als ich zu arbei­ten begann, habe ich das alles hin­ten­an­ge­stellt, weil ich die Zeit dazu nicht mehr fand. Über mei­ne Arbeit habe ich mich mehr damit aus­ein­an­der­ge­setzt, was der pri­va­te Kon­su­ment nach­hal­tig aus­rich­ten kann. Ich war dazu betrieb­lich in ein perfekt-nachhaltiges Umfeld ein­ge­bet­tet. Ich nahm die Chan­ce war, auf der Bio­fach in Nürn­berg die Welt der unter­neh­me­ri­schen Bio­sze­ne ken­nen­zu­ler­nen. Das hat mich total begeistert.

Was schon immer in mir schlum­mer­te, war das Weltretter-Gen, ich muss die Welt ret­ten. Ich wur­de per­sön­lich immer nachhaltig-konsequenter. Wenn ich mal „sün­dig­te“, hat­te das zur Fol­ge, dass ich noch spar­sa­mer leb­te. Das grenz­te an Selbst­gei­ße­lung. Gleich­zei­tig habe ich mich nie getraut, offen zu zei­gen, wer ich bin, wie ich denke.

Hast Du Dich als zu extrem empfunden?

Ich glau­be, dabei ging es mehr um das Akzeptiert- und Geliebt-Sein-Wollen. Man passt sich bes­ser an und sagt kei­ne unbe­que­men Din­ge. Die Ten­denz habe ich heu­te noch in mir.

In dei­nem Buch sagst Du, die Welt lässt sich nicht retten. 

Eine etwas über­spitz­te For­mu­lie­rung, um die Men­schen zu berüh­ren und auf­zu­rüt­teln. Vie­le wis­sen um den Zustand der Erde, dass wir die Lebens­grund­la­gen aller Lebe­we­sen zer­stö­ren:  durch den Abbau der Roh­stof­fe, Plas­tik in den Mee­ren, die indus­tri­el­le Land­wirt­schaft mit ihren Mono­kul­tu­ren. Die­ses Wis­sen ist da und trotz­dem ändert sich nichts. Da kann man sich fra­gen, war­um das so ist.

Und war­um ist das so?

Weil den Men­schen nicht bewusst ist, dass sie Teil der Natur sind. Sie sehen sich davon los­ge­löst. Jeder schaut mehr auf sich selbst als aufs gro­ße Gan­ze. Wir sind mehr Zahn­räd­chen als dass wir unse­re Poten­zia­le ent­fal­ten. Das sind nur eini­ge Fak­to­ren, die mit reinspielen.

Was möch­test du per­sön­lich bewirken?

Ich möch­te, dass Men­schen sich mit den Fra­gen, die ich in mei­nem Buch stel­le, aus­ein­an­der­set­zen. Sie müs­sen nicht mit all mei­nen Ansich­ten und Schluss­fol­ge­run­gen ein­ver­stan­den sein. Aber ich möch­te zum Den­ken anre­gen: Was ist mei­ne Auf­ga­be im Leben? Was ist mir wirk­lich wich­tig? Was kann mein Bei­trag sein? Wenn jeder für sich her­aus­fin­det, wie er ein freud­vol­le­res Leben füh­ren kann, dann, davon bin ich über­zeugt, muss auto­ma­tisch viel weni­ger durch Kon­sum kom­pen­siert werden.

Was kann denn jeder Ein­zel­ne tun, außer zu dis­ku­tie­ren wie wir zwei gerade?

Letzt­lich geht es dar­um, wie­der ins Han­deln zu kom­men. Zum einen den spi­ri­tu­el­len Aspekt zu eru­ie­ren: Wozu sind wir hier, was bewegt mich, was macht mir Freu­de, wie will ich leben. Zum ande­ren, was kann ich kon­kret tun.

In all den Jah­ren reif­te mei­ne Über­zeu­gung, dass jeder Ein­zel­ne mit sei­nem Kon­sum­ver­hal­ten – ob mit den „rich­ti­gen“ Kon­sum­entschei­dun­gen oder durch bewuss­ten Nicht-Konsum – weit mehr errei­chen kann, als wir gemein­hin den­ken. Die Macht von uns Ver­brau­chern auf Unternehmens- und auch poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen ist nicht zu unterschätzen.

Ich kann bei­spiels­wei­se so regio­nal und lokal wie mög­lich ein­kau­fen. Und Groß­kon­zer­ne mei­den, wo es nur geht. Ich bin völ­lig neu­tral, was sta­tio­nä­ren oder Online-Handel betrifft. Die Öko­bi­lan­zen sind zu kom­plex, da spie­len so vie­le Fak­to­ren mit rein, dass man nicht sagen kann, das eine ist nach­hal­ti­ger als das ande­re. Wich­tig ist, klei­ne Unter­neh­men zu unter­stüt­zen und fair her­ge­stell­te Pro­duk­te zu kau­fen. Man muss nicht dog­ma­tisch sein und gleich sein Ama­zon­kon­to kün­di­gen, aber man kann etwa Bücher beim Händ­ler vor Ort bestellen.

Wel­ches Leben hät­test Du ger­ne für dich?

Ich arbei­te der­zeit wie­der fest ange­stellt. Wie es dazu kam? Es geht immer dar­um, sei­nen per­sön­li­chen Anteil zu erken­nen, sich nicht als Opfer der Umstän­de zu defi­nie­ren. Ich habe an mei­ner Visi­on ein­fach nicht kon­se­quent genug gear­bei­tet, ging teils einen beque­me­ren Weg und war nicht dis­zi­pli­niert genug. So habe ich ange­fan­gen, mein Buch als Hör­buch ein­zu­spre­chen und es nicht zu Ende gebracht. Wor­an ich zudem arbei­te, ist ein klei­ner Online-Einkaufsführer. Drei­vier­tel ist fer­tig­ge­stellt, aber eben nicht hun­dert Pro­zent. Bei­des möch­te ich noch umset­zen und schließ­lich mei­ne Idee, Men­schen auf ihrem nach­hal­ti­gen Weg zu beglei­ten, realisieren.

Zu guter Letzt unser klei­ner neckar-alb.blog Fra­ge­bo­gen an Chris­ti­an Mangold

Wel­ches Auto fährst Du?

Einen zwölf Jah­re alten VW Pas­sat Variant.

Wel­che Bio­sün­de gönnst Du Dir?

Für mich gibt es kei­ne Bio­sün­den. Wir sind nicht per­fekt. Jeder darf mal was tun, von dem er weiß, das ist jetzt nicht so das Rich­ti­ge. Das gro­ße Gan­ze zählt.

Wie sieht die Welt von mor­gen aus?

Mei­ne Visi­on ist, dass alle Men­schen mit­ein­an­der und mit der Natur im Ein­klang leben. Dass wir das Ver­bin­den­de unter uns Men­schen wie­der ent­de­cken, ande­re Men­schen nicht als Kon­kur­ren­ten sehen und uns wie­der auf unse­re wesent­li­chen Bedürf­nis­se kon­zen­trie­ren. Luxus darf sein, aber maß­lo­sen Über­kon­sum wird es nicht mehr geben.

Dein Vor­schlag für einen wei­te­ren Blogbeitrag?

Ich emp­feh­le ein Buch: „Befrei­ung vom Über­fluss“ von Prof. Dr. Niko Paech, einem Ver­tre­ter der Post­wachs­tums­öko­no­mie. Ist gut ver­ständ­lich geschrie­ben und hat mich nach­hal­tig beeindruckt.

Bil­der: Chris­ti­an Mangold

Text: Elke Schwarzer

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