Es geht nicht darum, die Welt zu retten, vielmehr uns selbst, schreibt Christian Mangold in seinem sehr persönlichen Buch „Die Nachhaltigkeits-Falle“. Würde jeder Einzelne das mehr verinnerlichen, käme das Welt-Retten fast von selbst.
Der Göppinger Christian Mangold beschäftigt sich seit über 25 Jahren mit Ökologie und Nachhaltigkeit. Für den damals 16-Jährigen war der Umweltgipfel 1992 in Rio ein maßgeblicher Grund, sich intensiver mit dem politischen Weltgeschehen zu beschäftigen. In den Folgejahren trat er verschiedenen Umweltschutzorganisationen bei und war politisch in einer kleineren ökologischen Partei aktiv. Nach seinem Studium der Internationalen Betriebswirtschaft arbeitete er insgesamt 16 Jahre in verschiedenen Positionen für die Wala Heilmittel GmbH/Dr. Hauschka und Weleda; beide Unternehmen sind Pioniere des nachhaltigen Wirtschaftens. Was ihm gleichzeitig keine Ruhe ließ: dass die Umweltzerstörung ungebremst weiter voranschritt. Er begann, an seinem eigenen Lebensentwurf zu zweifeln und entschloss sich schließlich dazu, „aus dem Hamsterrad auszusteigen und das in die Welt zu bringen, was ich beizutragen habe. Der erste Schritt dazu ist dieses Buch.“
Christian, viele träumen davon, ihren ungeliebten Job an den Nagel zu hängen, Du hast es getan.
Ich habe fachfremd in der IT gearbeitet, dort das CRM-System betreut. Im Laufe der Zeit kamen verschiedene weitere Systeme dazu, und ich habe ins Programmieren reingeschnuppert. Das war überhaupt nicht mein Ding. Dazu kamen Prozessänderungen, Umstrukturierungen. Das Gefühl, mein Handlungsspielraum würde immer kleiner und ich entferne mich vom Wesentlichen, verstärkte sich. Kurz und gut: Ich war unglücklich und wollte so nicht bis zur Rente weitermachen. Schon immer spürte ich den Wunsch in mir, was Eigenes zu machen; aber ich wusste nicht, in welcher Form.
Du hast Dich schon sehr jung für nachhaltige Themen engagiert. War das rückblickend bereits Teil Deiner Suche?
Das war während meiner Schul- und Studienzeit. Als ich zu arbeiten begann, habe ich das alles hintenangestellt, weil ich die Zeit dazu nicht mehr fand. Über meine Arbeit habe ich mich mehr damit auseinandergesetzt, was der private Konsument nachhaltig ausrichten kann. Ich war dazu betrieblich in ein perfekt-nachhaltiges Umfeld eingebettet. Ich nahm die Chance war, auf der Biofach in Nürnberg die Welt der unternehmerischen Bioszene kennenzulernen. Das hat mich total begeistert.
Was schon immer in mir schlummerte, war das Weltretter-Gen, ich muss die Welt retten. Ich wurde persönlich immer nachhaltig-konsequenter. Wenn ich mal „sündigte“, hatte das zur Folge, dass ich noch sparsamer lebte. Das grenzte an Selbstgeißelung. Gleichzeitig habe ich mich nie getraut, offen zu zeigen, wer ich bin, wie ich denke.
Hast Du Dich als zu extrem empfunden?
Ich glaube, dabei ging es mehr um das Akzeptiert- und Geliebt-Sein-Wollen. Man passt sich besser an und sagt keine unbequemen Dinge. Die Tendenz habe ich heute noch in mir.
In deinem Buch sagst Du, die Welt lässt sich nicht retten.
Eine etwas überspitzte Formulierung, um die Menschen zu berühren und aufzurütteln. Viele wissen um den Zustand der Erde, dass wir die Lebensgrundlagen aller Lebewesen zerstören: durch den Abbau der Rohstoffe, Plastik in den Meeren, die industrielle Landwirtschaft mit ihren Monokulturen. Dieses Wissen ist da und trotzdem ändert sich nichts. Da kann man sich fragen, warum das so ist.
Und warum ist das so?
Weil den Menschen nicht bewusst ist, dass sie Teil der Natur sind. Sie sehen sich davon losgelöst. Jeder schaut mehr auf sich selbst als aufs große Ganze. Wir sind mehr Zahnrädchen als dass wir unsere Potenziale entfalten. Das sind nur einige Faktoren, die mit reinspielen.
Was möchtest du persönlich bewirken?
Ich möchte, dass Menschen sich mit den Fragen, die ich in meinem Buch stelle, auseinandersetzen. Sie müssen nicht mit all meinen Ansichten und Schlussfolgerungen einverstanden sein. Aber ich möchte zum Denken anregen: Was ist meine Aufgabe im Leben? Was ist mir wirklich wichtig? Was kann mein Beitrag sein? Wenn jeder für sich herausfindet, wie er ein freudvolleres Leben führen kann, dann, davon bin ich überzeugt, muss automatisch viel weniger durch Konsum kompensiert werden.
Was kann denn jeder Einzelne tun, außer zu diskutieren wie wir zwei gerade?
Letztlich geht es darum, wieder ins Handeln zu kommen. Zum einen den spirituellen Aspekt zu eruieren: Wozu sind wir hier, was bewegt mich, was macht mir Freude, wie will ich leben. Zum anderen, was kann ich konkret tun.
In all den Jahren reifte meine Überzeugung, dass jeder Einzelne mit seinem Konsumverhalten – ob mit den „richtigen“ Konsumentscheidungen oder durch bewussten Nicht-Konsum – weit mehr erreichen kann, als wir gemeinhin denken. Die Macht von uns Verbrauchern auf Unternehmens- und auch politische Entscheidungen ist nicht zu unterschätzen.
Ich kann beispielsweise so regional und lokal wie möglich einkaufen. Und Großkonzerne meiden, wo es nur geht. Ich bin völlig neutral, was stationären oder Online-Handel betrifft. Die Ökobilanzen sind zu komplex, da spielen so viele Faktoren mit rein, dass man nicht sagen kann, das eine ist nachhaltiger als das andere. Wichtig ist, kleine Unternehmen zu unterstützen und fair hergestellte Produkte zu kaufen. Man muss nicht dogmatisch sein und gleich sein Amazonkonto kündigen, aber man kann etwa Bücher beim Händler vor Ort bestellen.
Welches Leben hättest Du gerne für dich?
Ich arbeite derzeit wieder fest angestellt. Wie es dazu kam? Es geht immer darum, seinen persönlichen Anteil zu erkennen, sich nicht als Opfer der Umstände zu definieren. Ich habe an meiner Vision einfach nicht konsequent genug gearbeitet, ging teils einen bequemeren Weg und war nicht diszipliniert genug. So habe ich angefangen, mein Buch als Hörbuch einzusprechen und es nicht zu Ende gebracht. Woran ich zudem arbeite, ist ein kleiner Online-Einkaufsführer. Dreiviertel ist fertiggestellt, aber eben nicht hundert Prozent. Beides möchte ich noch umsetzen und schließlich meine Idee, Menschen auf ihrem nachhaltigen Weg zu begleiten, realisieren.
Zu guter Letzt unser kleiner neckar-alb.blog Fragebogen an Christian Mangold
Welches Auto fährst Du?
Einen zwölf Jahre alten VW Passat Variant.
Welche Biosünde gönnst Du Dir?
Für mich gibt es keine Biosünden. Wir sind nicht perfekt. Jeder darf mal was tun, von dem er weiß, das ist jetzt nicht so das Richtige. Das große Ganze zählt.
Wie sieht die Welt von morgen aus?
Meine Vision ist, dass alle Menschen miteinander und mit der Natur im Einklang leben. Dass wir das Verbindende unter uns Menschen wieder entdecken, andere Menschen nicht als Konkurrenten sehen und uns wieder auf unsere wesentlichen Bedürfnisse konzentrieren. Luxus darf sein, aber maßlosen Überkonsum wird es nicht mehr geben.
Dein Vorschlag für einen weiteren Blogbeitrag?
Ich empfehle ein Buch: „Befreiung vom Überfluss“ von Prof. Dr. Niko Paech, einem Vertreter der Postwachstumsökonomie. Ist gut verständlich geschrieben und hat mich nachhaltig beeindruckt.
Bilder: Christian Mangold
Text: Elke Schwarzer