„Es ist ein ziemlicher Sprung vom Container zum Klimaschutz“, sagt Startup-Gründer Ferry Heilemann über seinen Werdegang. Auf der Leipziger Klimabuchmesse stellte er den „Climate Action Guide“ vor – ein Handbuch für Unternehmen, die Klimaschutz konkret umsetzen wollen.
Ferry Heilemann hat es geschafft. Das kann man so sagen, über einen, der mit 25 sein Unternehmen DailyDeal gemeinsam mit Bruder Fabian an Google verkaufte. Ein paar Jahre später gründete er die digitale Spedition Forto und war damit wieder sehr schnell sehr erfolgreich. Doch zunehmend beschäftigte ihn der Klimawandel. „2020 ging ich schließlich raus aus meiner Rolle als CEO, um mehr Zeit der Klimakrise und Lösungen widmen zu können. Das erachte ich als das wichtigste Thema für unsere Menschheit in diesem Jahrhundert.“
Seine „climate action journey“, wie Ferry Heilemann es nennt, startete 2015: Er überdachte seinen Lebensstil und schraubte den persönlichen Fußabdruck auf sieben bis acht Tonnen runter. „Damit bin ich zwar unter dem deutschen Durchschnitt, global gesehen aber immer noch viel zu hoch.“ Im nächsten Schritt krempelte er seine Firma nachhaltig um: Emissionen wurden gemessen, reduziert und kompensiert. „Von Tag eins des Wandels an war Forto klimaneutral.“ Heilemann holte zudem Kunden ins Boot: „Wenn der Kunde sagt, ich zahle für die Kompensation der Container, die ich importiere, zahlen wir für jede kompensierte Tonne CO2 das Doppelte obendrauf.“ Heute kompensieren 62 Prozent der Großkunden ihre Fracht.
Es folgte die Gründung der Initiative Leaders for Climate Action, gemeinsam mit Unternehmen wie Flixbus und Delivery Hero. In dem Kontext verpflichten sich alle, ihren persönlichen Footprint zu minimieren und gleichzeitig das erworbene Wissen in ihren Firmen umzusetzen. „Mittlerweile haben sich der Organisation 1.300 Unternehmer aus zwanzig Ländern angeschlossen. Dazu gehören 160.000 Mitarbeiter. Wir haben über 750.000 Tonnen CO2 über die Mitglieder eingespart.“
Mit dem im Murmann Verlag erschienenen „Climate Action Guide“ gibt Heilemann Unternehmen einen praktischen Leitfaden in die Hand. In vier übergeordneten Kapiteln zeigt er auf, warum wir handeln müssen, welche Werkzeuge dafür bereit liegen, wie man den richtigen Einstieg findet und wie Fortgeschrittene ihren „Impact“ (die Wirkkraft der Maßnahmen) maximieren können.
Dass wir handeln müssen, sollte jedem mittlerweile klar sein, sagt Heilemann. Denjenigen, die über die enormen Kosten der Transformation lamentieren, hält er ein Rechenbeispiel entgegen: Bei einer 3,7 Grad wärmeren Welt entstehe ein Schaden, den eine Studie mit über 550 Billionen US-Dollar beziffere, „eine Zahl, die sich keiner vorstellen kann. Wir können also gar nicht genug ausgeben, um diese Zerstörung zu verhindern.“ Unternehmen, die Klimaschutz weiter ignorieren, müssten zukünftig mit rechtlichen Folgen rechnen, wie das Den Haager Shell-Urteil zeige. Aus Firmensicht spreche zudem für nachhaltiges Wirtschaften, dass Beschäftigten das Thema zunehmend wichtig sei, „wenn ich also die besten Talente gewinnen möchte, muss ich Klimaschutz in meine Unternehmensziele packen.“ Schließlich würden immer mehr Kunden Kaufentscheidungen an ökosozialen Aspekten festmachen.
Messen, reduzieren, kompensieren – Heilemann wird nicht müde, das Emissionsmantra aufzusagen. Wobei Reduktion stets Vorrang vor Kompensation habe. „Kompensieren kann nicht das Endziel sein. Da aber die gesamte Wirtschaft noch auf fossilen Energieträgern fußt und das nicht von heute auf morgen umgestellt werden kann, ist Kompensation unumgänglich.“ Beim Kauf von Zertifikaten sei der Blick auf die Standards wichtig (Gold Standard, Verfied Carbon Standard). Wie man Maßnahmen ermittelt und in der Praxis umsetzt, zeigen im Buch Fallbeispiele aus unterschiedlichen Branchen.
Als Investor achtet Ferry Heilemann darauf, sich an Firmen zu beteiligen, die klimarelevante Probleme aktiv lösen und Ideen entwickeln. „Ich gebe kein Geld mehr aus, ohne Nachhaltigkeit in Betracht zu ziehen. Und ich bin davon überzeugt, dass echte Führungsqualität sich heutzutage über nachhaltiges Handeln definiert. Das ist genau das, was wir und unser Planet jetzt brauchen.“
Zu guter Letzt diesmal nur eine Antwort auf unseren neckar-alb.blog-Fragebogen, der Termindichte Ferry Heilemanns geschuldet:
Welches Auto fahren Sie?
Ich fahre einen Tesla. Hätte ich kein Kleinkind, hätte ich wohl gar kein Auto mehr.
Fotos: Murmann Verlag
Lebenslauf von Ferry Heilemann
Ferry Heilemann (Jahrgang 1986) ist Gründer, Klimaaktivist und Investor. Seine ersten unternehmerischen Schritte machte er bereits zu Schulzeiten, als er mit seinem Bruder Fabian das französisches Gebäck Chi-Chi herstellte und für den Verkauf über Messen und Märkte tingelte. Direkt nach seinem BWL-Studium gründeten die Brüder 2009 DailyDeal, das erste Europäische Couponing-Portal. Die Firma war schnell erfolgreich und wurde an Google verkauft. Nach eineinhalb Jahren kauften sie DailyDeal wieder zurück, restrukturierten es und verkauften es 2015 zum zweiten Mal – diesmal an einen deutschen Player.
2016 gründete Ferry Heilemann mit Forto eine digitale Spedition, die Paletten und Container von Asien nach Europa und von Europa in die USA bewegt. Die Belegschaft besteht heute aus über 500 Mitarbeitern; es konnten zudem über 130 Millionen Venture Capital (Wagniskapital) eingesammelt werden. Im Sommer 2020 wechselte Heilemann in den Gesellschafterbeirat, um sich stärker auf den Kampf gegen den Klimawandel zu fokussieren. Dazu hat er die Initiative Leaders for Climate Action mitgegründet, mit dem Ziel die gesamte Digitalindustrie klimaneutral zu machen. 2020 wurde er vom Bundesverband Deutsche Startups als „Best Entrepreneur in Germany“ ausgezeichnet. Er lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Berlin.