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Noch mehr Nachhaltigkeit aus Esslingen

Lese­dau­er 5 Minu­ten

Vor eini­gen Wochen haben wir Nach­hal­tig­keits­exper­tin­nen der Hoch­schu­le Ess­lin­gen inter­viewt. Den Fra­ge­bo­gen, den wir der Hoch­schu­le zur Vor­be­rei­tung zusand­ten, hat sich auch Wal­ter Czar­netz­ki, Pro­fes­sor an der Fakul­tät Maschi­nen und Sys­te­me, ange­se­hen. Sei­ne Sicht auf Nach­hal­tig­keit fin­det ihr im fol­gen­den Beitrag.

Herr Pro­fes­sor Czar­netz­ki, seit wann forscht die Hoch­schu­le Ess­lin­gen zum The­ma Nach­hal­tig­keit? Gab es einen Auslöser?

Pro­fes­sor Wal­ter Czar­netz­ki,   Fakul­tät Maschi­nen und Systeme

Die Hoch­schu­le Ess­lin­gen forscht seit zir­ka 2003 an dem The­ma Nach­hal­tig­keit. Auslöser für die Forschungstätigkeit war die Nach­fra­ge aus der Indus­trie, die für ihre Pro­duk­te Lebens­zy­klus­ana­ly­sen (eng­lisch, live cycle assess­ment, LCA) erstel­len woll­te. Die enge Verknüpfung mit Energie- und Stoff­bi­lan­zen, gekop­pelt mit den Her­stel­lungs­ver­fah­ren, der Nut­zung und dem Recy­cling hat die Hoch­schu­le Ess­lin­gen hier als kom­pe­ten­ten Part­ner aus­ge­wie­sen. Des Wei­te­ren kam hin­zu, dass die Hoch­schu­le ein Umwelt­ma­nage­ment­sys­tem nach EMAS eingeführt hat.

Wie lan­ge hat es gedau­ert, bis aus der Idee ein auch außer­halb aner­kann­ter For­schungs­schwer­punkt wur­de? Kön­nen Sie uns Pro­jekt­bei­spie­le nennen?

Das Forschungs- und Ent­wick­lungs­the­ma Nach­hal­tig­keit wur­de auf­grund des hohen Bedar­fes – nicht nur in den Betrie­ben, son­dern auch in der Gesell­schaft all­ge­mein – in einen Stu­di­en­gang überführt. Die Fakultät Maschi­nen­bau hat 2006 als einer der ers­ten in Deutsch­land einen Mas­ter­stu­di­en­gang Res­sour­cen­ef­fi­zi­enz auf­ge­baut und ein­ge­rich­tet, der nach wie vor stark nach­ge­fragt und erfolg­reich durchgeführt wird. Das The­ma Nach­hal­tig­keit ist heu­te in all unse­ren Fakultäten präsent und wird ins­be­son­de­re im Insti­tut für Nach­hal­ti­ge Ener­gie­tech­nik und Mobilität (INEM) der Hoch­schu­le Ess­lin­gen in der For­schung ver­tre­ten. Die wich­tigs­ten Pro­jek­te sind hier­bei die CO2-freie Ener­gie­ver­sor­gung ins­be­son­de­re durch Was­ser­stoff. Unter ande­rem wer­den hier mit nam­haf­ten Part­nern Brennstoffzellen-Fahrzeuge für den emis­si­ons­frei­en Schwer­last­trans­port auf­ge­baut und erprobt.

Wel­che Fir­men sind an „Nach­hal­tig­keit made in Ess­lin­gen“ inter­es­siert? Gehen Sie auf poten­zi­el­le Part­ner zu? 

Es kom­men eher Fir­men auf uns zu, die Nach­hal­tig­keits­the­men zusam­men bear­bei­ten wol­len. Geschätzt wer­den sicher­lich der nie­der­schwel­li­ge Zugang und loka­le Nähe. Pra­xis­na­he Geschäftsführungen wün­schen sich in der Regel eine genaue Unter­su­chung der Pro­zes­se und Pro­duk­te hin­sicht­lich einer klar defi­nier­ten Nachhaltigkeit.

Wie schwie­rig ist es, Stel­len oder For­schungs­pro­jek­te zur Nach­hal­tig­keit zu finan­zie­ren?
Die Finan­zie­rung von Nach­hal­tig­keits­pro­jek­ten ist von staat­li­cher als auch pri­vat­wirt­schaft­li­cher Sei­te zur­zeit kein Pro­blem. Es gibt vie­le Aus­schrei­bun­gen und Anfra­gen, die aber eher auf per­so­nel­le Engpässe an der Hoch­schu­le sto­ßen. Obwohl wir unser Per­so­nal selbst aus­bil­den, sind die­se Exper­ten auf dem Arbeits­markt überall gefragt.

Wird hin­sicht­lich Umwelt­the­men zu viel oder zu wenig regu­liert? Wie ist Ihre Erfahrung? 

Ob zu viel oder zu wenig regu­liert wird, ist nicht ganz so leicht zu beant­wor­ten und hängt sicher­lich auch vom jewei­li­gen Betrach­tungs­fall ab. Rich­tig ist aber auf jeden Fall, dass es Regu­la­ri­en bedarf. Ohne exter­ne Anrei­ze oder Zwänge wird sehr oft so wei­ter­ge­macht wie bis­her. Ent­schei­dend ist aber, dass Alter­na­ti­ven ange­bo­ten wer­den. Die viel­fach beton­te Tech­no­lo­gie­of­fen­heit ist dabei sehr wich­tig. Es lässt sich viel Nach­hal­tig­keit per Gesetz errei­chen, aber es muss für die Gesell­schaft auch trag­bar sein. An der Umset­zung arbei­ten wir sehr eng mit der Indus­trie zusam­men und wer­den auch von staat­li­cher Sei­te gut unterstützt. Die gute Nach­richt ist, dass ein kli­ma­neu­tra­les bezie­hungs­wei­se sogar kli­ma­po­si­ti­ves Wirt­schafts­sys­tem mach­bar ist. Eine Umkeh­rung der wirt­schaft­li­chen und sozia­len Ent­wick­lung der letz­ten Jahr­zehn­te und Jahr­hun­der­te braucht sei­ne Zeit – auch wenn das gesell­schaft­li­che Grup­pen nicht ganz akzep­tie­ren wol­len. Wer es schnel­ler haben will, muss bereit sein, größere finan­zi­el­le Bürden und größere tech­no­lo­gi­sche Risi­ken zu tra­gen. Aus tech­no­lo­gi­scher Sicht wäre aber auch das machbar.

Zu vie­len Umwelt-Themen hört man die Aus­sa­ge „Die Tech­no­lo­gie ist da, sie muss nur ein­ge­setzt wer­den.“ Stim­men Sie die­ser Aus­sa­ge zu? 

Ja, die Tech­no­lo­gie ist da! Wir arbei­ten zum Bei­spiel an einem Plasma-Verfahren, das der Atmosphäre CO2 ent­zie­hen kann. Das funk­tio­niert im Labor­maß­stab sehr gut, ist aber in der groß­tech­ni­schen Umset­zung noch sehr teu­er. Die Wirt­schaft­lich­keit hängt aber letzt­lich sehr eng mit der Verfügbarkeit von nach­hal­ti­ger und kostengünstiger Ener­gie zusammen.

Wo besteht hauptsächlich For­schungs­be­darf? Was behin­dert die schnel­le Umset­zung in die Praxis?

In der Bereit­stel­lung von nach­hal­ti­ger und kostengünstiger Ener­gie besteht die größte Her­aus­for­de­rung. Wir haben genügend Son­nen­en­er­gie (letzt­lich ist Wind­ener­gie auch Son­nen­en­er­gie) in Deutsch­land, in Euro­pa und in der Welt, um unse­ren Ener­gie­be­darf zu decken. Wir müssen die Son­nen­en­er­gie nur in einen Energieträger wan­deln, der leicht zu hand­ha­ben ist – sprich zu spei­chern und zu trans­por­tie­ren ist. Für mich ist das Was­ser­stoff. Er lässt sich in gro­ßen Men­gen nach­hal­tig und kostengünstig her­stel­len, spei­chern und trans­por­tie­ren. Er kann unser auf fos­si­len Ener­gie­quel­len basie­ren­des Ener­gie­sys­tem leicht erset­zen. Die Inves­ti­tio­nen hierfür wären auch in einem trag­ba­ren Rah­men. Das größte Pro­blem ist hier das „Henne-Ei-Dilemma“. Die Indus­trie war­tet auf den Markt, sprich den Nut­zer – der Nut­zer war­tet auf die Pro­duk­te, sprich die Indus­trie. Inner­halb der Indus­trie gibt es die, die Was­ser­stoff her­stel­len könnten, es aber nicht machen, weil es kei­nen Bedarf gibt. Und die ande­ren, die Wasserstoff-Abnehmerprodukte bau­en könnten, es aber nicht machen, weil es kei­nen Was­ser­stoff gibt.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, um Nach­hal­tig­keit schnel­ler und ein­fa­cher in die Pra­xis zu bringen?

Die Lösung ist, bei­des gleich­zei­tig zu machen. Wir erzeu­gen nach­hal­ti­gen Was­ser­stoff und bau­en gleich­zei­tig die Fahr­zeu­ge, die den Was­ser­stoff benötigen und damit eine emis­si­ons­freie Mobilität umset­zen. Um jetzt noch kostengünstig zu wer­den, benötigen wir größere Men­gen bezie­hungs­wei­se Stückzahlen. Das Hin­der­nis ist, den Mut und die finan­zi­el­len Mit­tel zu haben, den Weg der Ska­lie­rung zu gehen. Sind die Kos­ten gesenkt, ist es ein selbst­er­hal­ten­des Sys­tem. Was ich mir also wünsche, ist über den Kos­ten­berg zu kommen.

Zur Per­son
Prof. Dr.-Ing. Wal­ter Czar­netz­ki, gebo­ren in Mar­burg an der Lahn, ist seit 2003 an der Ess­lin­ger Hoch­schu­le, Fakultät Maschi­nen und Sys­te­me, tätig und lei­tet den Labor­be­reich Ther­mo­flu­id­dy­na­mik. Sei­ne fach­li­chen Schwer­punk­te sind Ener­gie­wand­ler und Was­ser­stoff als Energieträger.

Und schließ­lich unser neckar-alb.blog-Fragebogen an Pro­fes­sor Wal­ter Czarnetzki:

Wel­ches Auto fah­ren Sie? Elek­tro Smart, je klei­ner ein Elek­tro­au­to des­to nach­hal­ti­ger! (Elek­tro­au­tos mit gro­ßer Bat­te­rie erzeu­gen schon bei der Her­stel­lung viel CO2.)

Wie hei­zen Sie Ihr Haus? Mit Solar­kol­lek­to­ren und Gas mit hohem Was­ser­stoff­an­teil, da Wärmepumpen in Bestands­bau­ten mit hohen Vor­lauf­tem­pe­ra­tu­ren nicht effi­zi­ent genug sind.

Wel­che „Umweltsünden“ leis­ten Sie sich? Kinder.

Was ist Ihre ganz persönliche Defi­ni­ti­on von Nach­hal­tig­keit? Mei­ne Defi­ni­ti­on ist durch den Club of Rome geprägt: Die Gren­zen des Wachs­tums sind überschritten. Von allem weni­ger führt zur Nachhaltigkeit.

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